Westfalenpost: Große Koalition
Geschrieben am 07-02-2018 |
Hagen (ots) - Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zwischen
CDU und SPD lässt vieles vermissen. Nach zwölf Jahren Kanzlerschaft
von Angela Merkel - davon acht Jahre mit den Sozialdemokraten - macht
sich Erschöpfung breit. Diesem Neuanfang wohnt ganz sicher kein
Zauber inne. Es handelt sich auf der politischen Ebene eher um ein
Lehrstück in Sachen Machterhalt. Auf der menschlichen Ebene erleben
wir einen beschämenden Umgang mit jenen, die man gemeinhin
Parteifreunde nennt. Darüber geht ein bisschen verloren, dass auf der
inhaltlichen Ebene das Programm der alten und neuen Partner zumindest
einige passable Eckpfeiler enthält. Immerhin sollen Milliarden Euro
in bessere Schulen investiert werden, ähnlich hohe Summen in eine
wirksamere Pflege fließen, deutlich mehr Geld für den Wohnungsbau und
für die Digitalisierung aufgebracht werden. Der große Wurf ist es
nicht. Aber den hat auch niemand erwartet. Es ist vielmehr der
notwendige Schritt in die richtige Richtung. Und wenn nun in der
Bildungspolitik das scheinbar ewig währende Kooperationsverbot
aufgehoben wird, also Bund und Länder endlich zusammenarbeiten
dürfen, lässt sich konstatieren: endlich. Merkel enttäuscht
langjährige Weggefährten Allerdings reicht das alles nicht, um das
Land selbstbewusst und mutig in eine neue Zeit zu führen, der AfD
klare Antworten auf ihre Provokationen und Herausforderungen im
Parlament zu liefern. Neue Köpfe fehlen. Beim Personal erleben wir
zuviel business as usual. Angela Merkel hat sich sehr weit auf die
SPD zubewegt, um ihre Macht noch für eine Weile zu sichern. Sie
musste langjährige Weggefährten bei der Ressortverteilung enttäuschen
und bildet eine Seilschaft mit Martin Schulz und dem Horst Seehofer
(CSU), die ihre politische Zukunft durch den Eintritt ins Kabinett
sichern wollen. Und sie weiß, dass ihre Autorität im eigenen Lager in
den vergangenen Jahren stark geschrumpft ist. Das Ende ist
eingeläutet. Es erscheint geradezu wie ein Paradox, dass Merkels
Schicksal als Kanzlerin von der Zustimmung der SPD-Mitglieder
abhängt. Lehnen sie das ausgehandelte Ergebnis ab, wird sich die CDU
ganz sicher neu aufstellen. Martin Schulz befindet sich nahezu
unaufhaltsam auf einer schiefen Ebene. Er hat sich nicht gescheut, in
allen wesentlichen Fragen wortbrüchig zu werden. Nach der
Bundestagswahl lehnte er die Beteiligung der SPD an einer Regierung
ebenso konsequent ab, wie seinen eigenen Eintritt ins Kabinett.
Belastbar war keine dieser Aussagen. Unter größtem Druck und extrem
geschwächt überlässt er nun der starken Andrea Nahles den
Parteivorsitz - die erste Frau an der Spitze in 128 Jahren. Doch das
rückt gerade in den Hintergrund. Für Schulz eine Nummer zu groß
Schulz strebt das Amt des Außenministers an. Möglicherweise gefährdet
eben dieser Schachzug die Zustimmung der enttäuschten
Sozialdemokraten zum Koalitionsvertrag. Denn er nimmt in Kauf, den im
Moment beliebtesten SPD-Politiker aus dem Amt zu drängen. Schulz ist
bereit, Sigmar Gabriel - dem er sein Parteiamt verdankt - über die
Klinge springen zu lassen. Gabriel weiß es längst. Für Martin Schulz
waren Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur eine Nummer zu groß. Sollte
die Basis ihm auch die jüngste Wendung übel nehmen, droht ein
"Schulz-Effekt", der die Sozialdemokratie und die CDU bis ins Mark
erschüttert.
Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion
Telefon: 02331/9174160
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