Neue Westfälische (Bielefeld): CDU-Basis rebelliert gegen die Chefin
Aufbruch verpasst
Miriam Scharlibbe
Geschrieben am 08-02-2018 |
Bielefeld (ots) - Ein miserables Ergebnis", "ein politischer
Fehler", "totale Selbstaufgabe", "eine Entscheidung, die die Partei
ins Mark trifft" - Applaus hört sich anders an. Urheber dieser Zitate
sind ausnahmslos einflussreiche Politiker der Partei, die seit
Monaten in unterschiedlichen Konstellationen versucht, eine Regierung
zu bilden und erneut die Kanzlerin stellen will. In der CDU brodelt
es. So laut, dass es selbst die immer gleichen Diskussionen um den
bevorstehenden Mitgliederentscheid der SPD übertönt. Dabei verwundern
sowohl Zeitpunkt als auch Inhalt der Debatte. Für Angela Merkel
könnte der Ärger der Parteibasis dennoch gefährlich werden. Auslöser
ist dabei nicht einmal die GroKo-Einigung selbst - obwohl es auf den
177 Seiten Vertragsentwurf genügend Stoff für Kritik geben würde. Es
ist ausgerechnet die allerletzte Seite, überschrieben mit dem
unscheinbaren Wort "Ressortverteilung", die viele der CDU-Mitglieder
auf die Palme bringt. Alle wollen das Finanzministerium. Die SPD hat
es bekommen. Für die CDU-Basis ist das ein herber Machtverlust. Der
Paderborner Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann sieht in der
Entscheidung nicht weniger "als den Anfang vom Ende der Volkspartei
CDU." Für Außenstehende wirkt das Gerangel um Posten wie der
Sandkastenstreit um die größeren Förmchen. Da soll noch mal einer
sagen, es gehe um Inhalte. Dabei steckt hinter dem Schauspiel
eigentlich etwas anderes: Der Streit um das Finanzministerium ist nur
ein Hinweis darauf, dass es in der CDU eine stetig wachsende Gruppe
meist junger Funktionäre gibt, die Kritik am Führungspersonal üben.
Nach zwölf Jahren Kanzlerinnenschaft, einem desaströsen Wahlergebnis
und vier Monaten Dauersondieren musste Merkel große Zugeständnisse
machen. Über Jahre war die größte Stärke der CDU-Chefin, dass alles
an ihr abperlte. Nun muss sie sich eingestehen, dass der 24.
September 2017 Spuren hinterlassen hat. Der Ruf nach neuen
Gesichtern, nach neuen Ideen wird auch innerhalb der CDU lauter. Noch
schafft es Merkel, ihn zu ignorieren. Junge, aufstrebende Politiker
sucht man in der öffentlich gehandelten Ministerriege bisher
vergeblich. Eine Chance, in diesem Punkt ein Zeichen zu setzen und
die Basis vorerst zu beruhigen, hat die Kanzlerin noch. Neben den
CDU-Ministerien kann sie drei Staatsministerposten vergeben: Im
Kanzleramt, für Kultur und Medien sowie für Migration, Flüchtlinge
und Integration. Das könnte der Auftritt von Jens Spahn werden, dem
derzeit auffällig unauffälligen bisherigen Finanz-Staatssekretär, der
große Ambitionen hat. Noch braucht die CDU ihre Chefin. Niemand sonst
wäre in der Lage, eine stabile Regierung zu bilden. Aber mit einem
Aufbruch, wie Merkel ihn versprochen und auf das Titelblatt des
Koalitionsvertrages geschrieben hat, hat das mutlose GroKo-Ergebnis
wenig zu tun. Für diesen Aufbruch müssen in spätestens vier Jahren
andere sorgen.
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