Börsen-Zeitung: Stress mit den USA,
Marktkommentar von Dietegen Müller
Geschrieben am 23-03-2018 |
Frankfurt (ots) - Der Rückschlag des Dax um 4 Prozent im
Wochenvergleich ist nur eines von mehreren Zeichen einer sichtbaren
Anspannung. Für Unsicherheit haben auch die Details der US-Notenbank
zur Zinsentscheidung vom Mittwoch gesorgt: So zeigen die
längerfristigen Zinsprojektionen der Mitglieder des
Offenmarktausschuss nach oben. Jene Akteure sehen sich bestätigt,
dass das Tal in den Leitzinserwartungen nun durchschritten ist. Denn
erstmals seit die sogenannten Fed-Dots veröffentlicht werden, hat
sich der Trend der langfristigen Dots umgekehrt. Hinzu kommt, dass
die Mitglieder des Offenmarktausschuss gespalten sind, ob in diesem
Jahr nicht doch vier statt drei Zinserhöhungen angebracht sind.
Viele Ökonomen gehen nun davon aus, dass die Zinsen doch etwas
schneller steigen könnten. Dem entgegen wirkt die handelspolitische
Unsicherheit: Das nicht mehr nur verbale Säbelrasseln der
US-Regierung gegen China könnte sich im ungünstigen Fall
hochschaukeln und zur ernsthaften Belastung der robust wachsenden
Weltwirtschaft führen. Ein weiterer Risikofaktor ist die militärische
Linie der USA, die mit der Berufung des Hardliners John Bolton gerade
mit Blick auf die Ölförderländer am Persischen Golf unberechenbarer
geworden ist.
Insgesamt wirken diese politischen Faktoren einer möglichen
Überhitzung der Wirtschaft entgegen. Die Auswirkungen auf die
Inflation sind dabei schwierig zu prognostizieren - sollte der
Ölpreis steigen und der Dollar weiter abwerten, müssten sich die
Kapitalmärkte wohl mit einem Stagflationsszenario in den
USA auseinandersetzen.
Etwas besser greifbar sind die Entwicklungen auf dem
Dollar-Geldmarkt. Die Differenz zwischen unbesicherten und
besicherten Dollar-Ausleihungen - der Dollar-Libor-OIS-Spread - hat
sich seit Dezember 2017 markant ausgeweitet. Inzwischen ist der
Risikoaufschlag mit mehr als 57 Basispunkten auf den höchsten Stand
seit der Finanzkrise gestiegen. Eine Ausweitung des Libor-OIS-Spread
verteuert die Refinanzierung für US-Banken, wenn sie sich
kurzfristige Dollar von anderen Instituten beschaffen wollen.
Die US-Großbank Citigroup erkennt darin zunächst keine Hinweise
auf eine drohende Schieflage eines Finanzinstituts. Die meisten
Banken weisen heute viel besser kapitalisierte Bilanzen aus als vor
der Finanzkrise. Die Kreditausfallprämien (CDS) für Finanzinstitute -
sowohl hüben wie drüben des Atlantiks - sind zuletzt leicht
gestiegen, aber weit entfernt von einem alarmierend hohen Niveau.
Auch handelt es sich nicht um ein globales Phänomen - der
Libor-OIS-Spread in Euro und Pfund ist bisher nicht von der
Ausweitung betroffen.
So werden andere Gründe gesucht. Der häufiger angeführte Verweis
auf die seit Februar steigenden Treasury-Bill-Emissionen des
US-Schatzamts ist in den Augen der Citigroup-Analysten kaum die
Ursache, da der Anstieg schon früher begann. Der Grund dürfte also
nicht nur in der laxeren Haushaltspolitik der US-Regierung liegen.
Wahrscheinlicher ist ein Zusammenhang mit der US-Steuerreform und der
Repatriierung von Offshore-Dollars durch etliche US-Konzerne. Dies
hat zu einer Verringerung der Duration der gehaltenen
Verbindlichkeiten und zu einer steigenden Ausgabe kurzläufiger
Commercial Papers im Unternehmenssektor geführt. Dadurch gab es auch
eine Verflachung der US-Zinskurve.
Citigroup geht davon aus, dass diese bisher auf die USA begrenzte
Entwicklung ohne große Stressanzeichen wohl bald größere Auswirkungen
haben. Bisher verfügten die Banken über genug Überschussreserven und
die Devisen-Swap-Märkte waren liquide. Mit der laufenden
Normalisierung der Geldpolitik sowie der Erhöhung der
T-Bill-Emissionen könnten sich je nach Fall aber die Bankreserven
verringern und die US-Geldmarktsätze dadurch weiter ansteigen.
Die Kreditbedingungen im Dollar würden dann restriktiver werden
als im Euro und so würde mehr ausländisches Geld in Euro- statt in
Dollar-Kredite fließen. Die Straffung der Finanzierungsbedingungen in
den USA wäre damit stärker als von den Zentralbanken vorweggenommen.
Ein damit einhergehender erhöhter Abfluss aus Risikoanlagen würde zu
einem Vermögenseffekt in der Realwirtschaft führen. Diese These
stützt, dass im Hochzinssegment Anlagegelder abfliessen, und zwar
laut Bank of America Merrill Lynch seit zehn Wochen, der längste
kontinuierliche Abfluss seit 2007. Last, but not least könnten
straffere Finanzierungsbedingungen aber auch zu einer
Dollaraufwertung führen. Dies alles spricht für ein weiter volatiles
Marktumfeld.
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