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Börsen-Zeitung: Gelbe Warnlampe leuchtet / Kommentar zur Entwicklung der US-Zinsstrukturkurve von Kai Johannsen

Geschrieben am 27-04-2018

Frankfurt (ots) - Kommt die US-Rezession und macht den großen
Zentralbanken einen Strich durch ihren Exit aus dem Quantitative
Easing, bei dem sie entweder erst noch am Anfang stehen oder ihn
dann gerade erst begonnen haben oder beginnen? Und wird diese
Rezession wieder vorab richtig vom Staatsanleihemarkt, also der
Renditestrukturkurve, angezeigt? Das ist derzeit eine Frage, mit der
sich die US-Notenbank Fed und Marktteilnehmer auseinandersetzen.

Von einem Ende oder zumindest einem Nachlassen der robusten
US-Konjunkturaktivitäten auszugehen, ist zumindest nicht völlig
abwegig. Die gegenwärtige Expansion startete im Juli des Jahres 2009
und hält somit nun 106 Monate an. Sollte sie sich auch noch im
kommenden Monat fortsetzen, wäre es der zweitlängste Boom der
US-Wirtschaft seit den sechziger Jahren. Schafft es die
US-Konjunktur, diese Phase der Prosperität auch noch bis Juli 2019
fortzusetzen, dann würde auch der bislang längste Boom, nämlich der
aus den neunziger Jahren, noch übertroffen. Signale, dass es zu Ende
gehen könnte, sendet derzeit der US-Staatsanleihemarkt. Und diese
Signale hat er in der Vergangenheit recht verlässlich gegeben, und
zwar über eine bestimmte Formation der Renditestrukturkurve.

Betrachtet wird dabei der Zinsabstand im Laufzeitenband von zwei
bis zehn Jahren der US-Staatsanleihen. Bei einer normalen Kurve
liegen die langfristigen Sätze über den kurzfristigen Renditen. Bei
einem Aufschwung ist das der Fall. Denn am Markt wird angenommen,
dass die Zentralbank über Zinssteigerungen langfristig einem
Überhitzen der Wirtschaft vorbeugen und Inflationsgefahren eindämmen
muss. Flacht die Kurve ab, bedeutet dies, dass die kurz- und
langfristigen Sätze ab einem gewissen Punkt auf dem gleichen Niveau
liegen. Eine Inversion liegt vor, wenn die langfristigen Sätze dann
irgendwann unter den kurzfristigen Zinsen liegen. Mit einer flacher
werdenden und irgendwann invertierenden Kurve signalisiert der Markt,
dass er damit rechnet, dass sich die Wirtschaftsleistung abschwächen
wird und die Zentralbank auf längere Sicht der Wirtschaft wieder mit
Zinssenkungen unter die Arme greifen muss.

Derzeit weist die Kurve zwar immer noch eine gewisse Normalität
auf, liegen die zehnjährigen Sätze ja noch über den zweijährigen
Sätzen, aber die Kurve ist enorm abgeflacht. Mit einem Zinsabstand
von rund einem halben Prozentpunkt weist sie den geringsten Abstand
seit dem Jahr 2007 auf. Anleger fragen sich damit natürlich, ob
dieser Trend jetzt noch anhalten wird und vor allem, ob die flache
bzw. später womöglich invertierende Kurve auch dieses Mal wieder
richtig den Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität und den Übergang
zur Rezession anzeigt.

In der Vergangenheit war das immer ein sicheres Signal. Jeder der
vergangenen fünf US-Rezessionen ging eine Inversion der Kurve voraus,
und zwar rund 24 Monate vor Beginn der Rezession. In der
Vergangenheit konnte laut Analysten nur ein einziges Mal eine
Inversion beobachtet werden, der nicht 24 Monate später eine
Rezession folgte. Das sind schon recht ordentlich Prognoseergebnisse
der Kurve. 2005/2006 invertierte die Kurve in den USA, 2007/2008
brach die Finanzkrise aus. Im Übrigen: Zu dieser Zeit war auch die
kanadische Kurve invertiert, die derzeit auch flach ist. Als Anfang
dieses Jahrtausends die Technologie-Bubble platzte, waren die Kurven
in den USA und Kanada zuvor ebenfalls flacher geworden und dann
invertiert.

Sicher, die Vergangenheit ist kein Garant für die Zukunft. Und
immer sind Menschen natürlich auch geneigt zu sagen: "Dieses Mal ist
es anders." Und die Tendenz zu einer derartigen Aussage ist natürlich
umso stärker, wenn es sich um negative Entwicklungen handelt, die da
womöglich auf einen zukommen. Anders ausgedrückt: Würden eine
abflachende Zinskurve und die spätere Inversion einen Aufschwung
ankündigen - was natürlich aufgrund der wirtschaftlichen
Implikationen so nicht möglich ist -, wären viele Menschen eher
geneigt, dem Signal zu vertrauen. Denn es kommt ja etwas Gutes auf
einen zu.

Es besteht derzeit kein Grund, in Panik zu verfallen, schließlich
ist die Kurve derzeit flach und nicht invers. Und natürlich können
noch genügend Entwicklungen eintreten, die die Kurve wieder steiler
werden lassen. Kurzum: An den US-Rentenmärkten brennt jetzt nicht
durchgehend die rote Alarmleuchte. Angesichts der Prognosegüte der
Zinsstrukturformationen sollte man diese Renditebewegungen als
Signalgeber nicht vom Tisch wischen und die flache Kurve als das
interpretieren, was sie ist: als gelbe Warnlampe, die angefangen hat
zu leuchten.

(Börsen-Zeitung, 28.04.2018)



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Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

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