Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zur Luftverschmutzung:
Geschrieben am 02-05-2018 |
Regensburg (ots) - Mit jedem Atemzug kommen sie in unseren Körper:
Winzige Partikel von Ruß, Abgasen oder Reifenabrieb. Feinstaub macht
krank und tötet sogar - und so gut wie jeder Mensch ist ihm
ausgesetzt: 90 Prozent der Weltbevölkerung atmet verschmutzte Luft,
wie eine globale Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO ergeben
hat. Das klingt alarmierend. Und doch reagieren wir auf das Problem
vergleichsweise gelassen. Dafür gibt es aber keinen wirklich guten
Grund. Zugegeben: So gravierend wie in Megacities wie Neu Delhi,
Peking oder Kairo ist die Luftverschmutzung in Europa nicht. In
diesen Städten ist die Smog-Wolke beinahe alltäglich. Menschen atmen
den giftigen Rauch offener Kochstellen, brennender Müllhalden oder
von Fabriken ohne Filtersysteme ein. Doch auch in Europa lässt sich
die Belastung nicht kleinreden: Gerichtsmediziner wissen, dass die
Lungen von Großstadtbewohnern so schwarz sind, als hätten diese
jahrelang geraucht. Der Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und
Krankheit ist erwiesen - das Risiko für Asthma, Herzerkrankungen,
Schlaganfälle und Lungenkrebs steigt mit zunehmender Verschmutzung.
Je kleiner die Partikel sind, umso leichter dringen sie in die Lunge
vor. Besonders kleine Teilchen schaffen es sogar über die
Lungenbläschen ins Blut und von da in den ganzen Körper. Für das
menschliche Auge sind die Schmutzteilchen unsichtbar. Auch löst das
Einatmen von dreckiger Luft bei Gesunden meist keine akute Atemnot
aus. Vielleicht sind wir deshalb so vergleichsweise sorglos und regen
uns mehr über drohende Fahrverbote auf als über den Feinstaub selbst.
Doch es wird Zeit, dass wir unsere Gesundheit endlich wichtig nehmen.
Und die der anderen - vor allem von Kindern, Kranken und Schwangeren,
die besonders unter dicker Luft leiden. Deren Bedürfnisse sind
wichtiger als die der Autoindustrie oder unserer individuellen
Unlust, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen und das Auto auch
einmal stehen zu lassen. Das größte Problem aber ist der lasche
Umgang der Politik mit der Autoindustrie. Deutschland spielt hierbei
eine unrühmliche Rolle in der EU: Auf Initiative des ehemaligen
deutschen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel hin hat die Kommission
auf eine verpflichtende Quote für E-Autos verzichtet. Der
Automobillobby gelang es, von der Kommission geplante CO2-Grenzwerte
abzuschwächen. Die deutschen Konzerne haben Politik und Bürger mit
manipulierten Abgaswerten getäuscht. Doch auch die neue GroKo agiert
halbherzig: Die geplanten Softwarenachrüstungen reichen wohl nicht
aus, um die Emission von Stickoxiden genug zu senken. Umfangreiche
Umbauten an Motor oder Abgasanlage von richtigen Stinkern sind in der
GroKo umstritten. Dass die Autobauer die Zeichen der Zeit nicht
erkannt haben, zeigt ein Blick in die USA: Dort hat die
Automobillobby die Regierung Trump dazu gebracht, die Abgas- und
Spritvorschriften der Ära Obama zu kippen. Weil nun Kalifornien und
16 weitere US-Bundesstaaten die Regierung verklagen, fürchten die
Hersteller, ihre Fahrzeuge innerhalb des Landes für verschiedene
Märkte ausrüsten zu müssen. Offenbar kommt es ihnen nicht in den
Sinn, sich freiwillig an die strengeren Grenzwerte zu halten.
Experten raten der Autobranche sogar, sich anstatt an den
amerikanischen Standards an den strengen chinesischen zu orientieren,
denn der technologische Wettlauf um die Autos der Zukunft werde in
China entschieden. Dort meint es die Regierung mittlerweile ernst mit
dem Kampf gegen Luftverschmutzung - und setzt auf sparsame und
E-Autos. Die Bundesregierung sollte sich da inspirieren lassen. Noch
diesen Monat könnte sie eine Klage aus Brüssel wegen nicht
eingehaltener Grenzwerte für Stickoxide ereilen. Sie muss
schnellstens aufhören, die Gestaltung der Verkehrspolitik
Autokonzernen, EU oder Gerichten zu überlassen. So erreicht sie ihre
Klimaziele nicht und setzt ihre Bürger weiter giftiger Atemluft aus.
Das ist verantwortungslos.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
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