Hohe Qualität der onkologischen Versorgung gefährdet / Mehraufwand von Krebszentren nicht durch Regelfinanzierung gesichert
Geschrieben am 09-05-2018 |
Bonn (ots) - Patienten, die in Deutschland in einem sogenannten
Onkologischen Spitzenzentrum (Comprehensive Cancer Center) oder einem
zertifizierten Krebszentrum behandelt werden, erhalten die
bestmögliche Versorgung. Eine hohe Behandlungsqualität in diesen
Zentren ist jedoch mit Kosten verbunden, die weit über die derzeitige
Regelfinanzierung hinausgehen: Als Speerspitze der Versorgung von
Krebspatienten behandeln beispielsweise die von der Deutschen
Krebshilfe geförderten dreizehn Onkologischen Spitzenzentren im Jahr
mindestens 100.000 Krebspatienten - mit einem zusätzlichen
durchschnittlichen Aufwand von jährlich rund 10,4 Millionen Euro pro
Zentrum. "Die Spitzenzentren wurden im Jahr 2007 von uns initiiert
und deren für die optimale Versorgung von Krebspatienten anfallenden
Mehrkosten seitdem von uns bezuschusst", so Gerd Nettekoven,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe. In einem Interview
mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) appellieren Nettekoven
und weitere Experten an die Gesundheitspolitik: "Um die
Behandlungsqualität weiter auf diesem hohem Niveau halten zu können,
müssen die Mehrleistungen in die Regelfinanzierung überführt werden.
Denn das kann auf Dauer keine Spendenorganisation übernehmen."
Im Jahr 2007 startete die Deutsche Krebshilfe ihre
Förderinitiative 'Onkologische Spitzenzentren'. In diesen Zentren
werden Krebspatienten auf höchstem medizinischen Niveau und nach
aktuellem onkologischen Wissensstand versorgt - gemeinsam und in
Abstimmung mit umliegenden Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten
in der jeweiligen Region. Als Vorbild dienten die "Comprehensive
Cancer Center (CCCs)" in den USA. Die Zentren haben als universitäre
Standorte darüber hinaus die Aufgabe, Versorgungsstrukturen und
-abläufe weiterzuentwickeln und die Krebsmedizin durch innovative
onkologische Forschung voranzubringen. Nach dem Verständnis der
Deutschen Krebshilfe sollen die dabei erzielten Fortschritte
bundesweit allen onkologischen Versorgungseinrichtungen zugänglich
gemacht werden, so dass alle Krebspatienten davon profitieren.
Aktuell fördert die Deutsche Krebshilfe dreizehn Spitzenzentren mit
jährlich 750.000 Euro pro Zentrum. Bisher hat sie rund 105 Millionen
Euro in das Förderprogramm investiert.
Zusammen mit den von der Deutschen Krebsgesellschaft
zertifizierten Onkologischen Zentren und Organkrebszentren bilden die
Spitzenzentren ein umfassendes Netzwerk der onkologischen Versorgung.
"In den vergangenen zehn Jahren haben somit zwei gemeinnützige
Organisationen die Grundlagen für eine flächendeckende,
strukturierte, leistungsfähige und zukunftsorientierte
Patientenversorgung in Deutschland geschaffen", erläutert Nettekoven.
"Dieses hohe Niveau der Patientenversorgung ist jedoch nur durch
erhebliche Mehrleistungen der Zentren möglich, die weit über eine
Regelkrankenversorgung hinausgehen und daher mit einem erheblichen
finanziellen Mehraufwand in den Zentren verbunden sind". Im
Nationalen Krebsplan sei die Bedeutung zertifizierter
Versorgungsstrukturen als essenziell für die Weiterentwicklung der
onkologischen Versorgungsstrukturen und der Qualitätssicherung
hervorgehoben und somit in der Gesundheitspolitik platziert - "Jetzt
geht es darum, die Finanzierung dieser Strukturen adäquat und
geregelt sicherzustellen", so Nettekoven in der FAZ.
Um die für eine hochqualitative Patientenversorgung nötigen
Mehrleistungen zu definieren und den daraus resultierenden
finanziellen Mehrbedarf von Onkologischen Spitzenzentren,
Onkologischen Zentren und Organkrebszentren zu ermitteln, haben die
Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Krebsgesellschaft in
Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Onkologischer Spitzenzentren
(CCC-Netzwerk) die Prognos AG mit der Erstellung eines Gutachtens
beauftragt. Professor Dr. Christof von Kalle, Sprecher des CCC
Netzwerks und Leiter der Abteilung Translationale Onkologie am
Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ), erläutert die
Ergebnisse: "Die Onkologischen Spitzenzentren haben einen jährlichen
Mehraufwand von über zehn Millionen Euro pro Zentrum, bei den
Onkologischen Zentren sind es fast drei Millionen Euro. Auf den
einzelnen Patienten gerechnet ist der Mehraufwand sehr überschaubar."
Interdisziplinäre Tumorkonferenzen, die Organisation der
interdisziplinären onkologischen Versorgung, die Vernetzung und der
Qualitätstransfer in die regionale Umgebung - wie etwa umliegende
Krankenhäuser und niedergelassene Ärzteschaft - oder der Aufbau von
Tumorbanken seien beispielsweise Mehrleistungen, die nicht vergütet
würden. "Zur Aufrechterhaltung und Festigung der geschaffenen
Strukturen bedarf es daher einer adäquaten Grundfinanzierung."
Professor Dr. Carsten Bokemeyer, Direktor der II. Medizinischen
Klinik und Poliklinik für Onkologie und Hämatologie am
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, und ebenfalls Sprecher des
CCC-Netzwerks, sieht das hohe Niveau der Krebsversorgung in
Deutschland gefährdet: "Es besteht dringender Handlungsbedarf von
Seiten der Gesundheitspolitik und der Kostenträger. Eine fehlende
Grundfinanzierung der Zentren in Deutschland darf nicht zu Lasten der
Patienten gehen. Die Umsetzung von Innovationen und modernster
interdisziplinärer Krebstherapien muss in einem guten
Gesundheitssystem langfristig gesichert möglich sein und die
richtigen Strukturen dafür haben wir in den letzten Jahren
geschaffen."
"Hier muss definitiv ein Umdenken von Seiten der
Gesundheitspolitik stattfinden", betonte auch Professor Dr. Peter
Albers, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft. "Künftig sollten
zertifizierte Krebszentren - und dies wird auch im Prognos-Gutachten
vorgeschlagen - einen gesonderten Zentrums- oder auch
Netzwerkzuschlag geltend machen können, der die Kosten für alle
erbrachten Mehrleistungen abdeckt." Dazu müssten die Mehrleistungen
in ihrer Gesamtheit als "Leistungskomplex" begriffen werden, der das
Fundament für das hohe Niveau der Patientenversorgung in den Zentren
darstellt und in die Regelversorgung überführt wird.
Nettekoven erläutert, dass die Deutsche Krebshilfe keineswegs
beabsichtigt, sich aus dem Evaluationsverfahren und der anteiligen
finanziellen Förderung Onkologischer Spitzenzentren zurückzuziehen.
"Dafür sind uns die geschaffenen Strukturen zu wichtig. Nach den
jahrelangen strukturellen und finanziellen Vorleistungen durch uns
und die Deutsche Krebsgesellschaft bedarf es jetzt aber auch einer
adäquaten Finanzierung durch die Kostenträger."
Die Deutsche Krebshilfe erwägt zurzeit, die Zahl der geförderten
Onkologischen Spitzenzentren von derzeit dreizehn auf fünfzehn
Standorte zu erhöhen, um dem Bedarf auch in der Fläche gerecht zu
werden.
Hintergrundinformation
3-Stufen-Modell der onkologischen Versorgung
Die Deutsche Krebshilfe sieht die Onkologischen Spitzenzentren als
grundlegenden Teil eines umfassenden, dreistufigen Programms, das sie
vor etwa zehn Jahren gemeinsam mit ihrer Partnerorganisation, der
Deutschen Krebsgesellschaft, auf den Weg gebracht haben. Dieses
Programm sollte eine Neuorientierung in der Krebsmedizin einleiten.
In den Spitzenzentren werden zum einen Krebspatienten auf höchstem
medizinischen Niveau und nach aktuellem Stand der Wissenschaft
versorgt. Die Comprehensive Cancer Center haben aber auch die
Aufgabe, zur Entwicklung innovativer Krebstherapien beizutragen sowie
Standards für die Versorgungsabläufe zu erarbeiten. Die in den
Spitzenzentren erarbeiteten Fortschritte und Standards in allen
Aspekten der Prävention, Früherkennung, Versorgung und der
translationalen Forschung werden letztendlich allen onkologischen
Versorgungseinrichtungen zugänglich gemacht. Auf der zweiten Ebene -
den von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten sogenannten
Klinischen Onkologischen Zentren - werden die abgestimmten Standards
zum Wohle der Patienten umgesetzt werden, wobei hier nicht - wie bei
den universitären Zentren - die Forschung mit im Vordergrund steht.
Die dritte Ebene - die ebenfalls von der Deutschen Krebsgesellschaft
zertifizierten Organkrebszentren, die auf die Versorgung einer
bestimmten Tumorentität spezialisiert sind -, rundet das
3-Stufen-Konzept ab. Letztlich sollen diese Strukturen dazu führen,
dass Krebspatienten in Deutschland flächendeckend nach einheitlichen,
hohen Qualitätsstandards behandelt und versorgt werden.
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Pressekontakt:
Deutsche Krebshilfe
Pressestelle
Buschstr. 32
53113 Bonn
Telefon: 02 28/7 29 90-96
E-Mail: presse@krebshilfe.de
Internet: www.krebshilfe.de
Original-Content von: Deutsche Krebshilfe, übermittelt durch news aktuell
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