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Börsen-Zeitung: Brandbeschleuniger/Kommentar von Kai Johannsen über gebündelte europäische Staatsanleihen

Geschrieben am 25-05-2018

Frankfurt (ots) - Die Eurozonen-Peripherie beschäftigt wieder die
Finanzmärkte, genauer gesagt Italien und nun auch noch Spanien. In
Italien ist es die Sorge vor einem harten Konfrontationskurs der
neuen eurokritischen Regierung mit der EU und in Spanien die Furcht
vor einer Regierungskrise. Das sorgt für steigende Renditen bei den
Staatsanleihen beider Länder. Anleger stellen sich zunehmend die
Frage, ob Italien und vielleicht Spanien das Potenzial haben, die
Schuldenkrise wieder aufflammen zu lassen - womöglich noch heftiger
als beim vorigen Mal. Da setzt so mancher viele Hoffnungen in ein
neues Produkt, das die EU nun aus der Taufe heben will: European
Safe Bonds - bei der EU unter dem Namen Sovereign Bond-backed
Securities (SBBS). Im Prinzip sollen die SBBS, mit denen die Politik
die Stabilität der Eurozone erhöhen, also die Risiken für die
Finanzstabilität verringern möchte, folgendermaßen funktionieren. Es
werden nach einem Kapitalschlüssel (zum Beispiel dem der EZB)
Staatsanleihen der Eurozonenländer in einen Topf (Pool) geworfen. Die
Finanzierung dieses Ankaufs soll über die Emission von solchen SBBS
erfolgen. Dabei bedient man sich einer Tranchierung. Geschaffen
werden mehrere Tranchen, eine oder zwei Junior-Tranchen von insgesamt
30% und eine Senior-Tranche von 70%. Kommt es im Rahmen einer Krise
zu Verlusten (Ausfällen), haften erstmal die Inhaber der
Junior-Tranchen dieser Anleihen. Als Käufer stellen sich die
Verantwortlichen Hedgefonds vor, die ja gern ins Risiko gehen. Sie
erhalten dann auch eine höhere Verzinsung. Sind die 30%
"aufgefressen", haben diese Anleger bei Ausfällen also "geblutet",
dann kommen bei weiteren Verlusten die nächsten Anleger in der
Haftungsreihe dran, also die Inhaber der Senior-Tranche (Banken,
Versicherer) - so sieht vereinfacht ausgedrückt die Theorie aus. Ob
dieses Konzept allerdings am Markt auf positive Resonanz stoßen wird,
sollte mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Die
Verantwortlichen betonen immer wieder, dass es sich hierbei nicht um
gemeinsame Staatsanleihen handelt. Das ist richtig. Von den SBBS zu
gemeinsamen Staatsanleihen ist es dann aber nur noch ein winzig
kleiner Schritt, und im Grunde genommen ist mit den ESB/SBBS das
Grundprinzip der gemeinsamen Schuldenfinanzierung schon realisiert.
ESB weisen eine sehr hohe Ähnlichkeit zu einem CDO (Collateralized
Debt Obligation) bzw. CBO (Collateralized Bond Obligation) auf:
Kredite bzw. Bonds kommen in einen Topf, anschließend werden Tranchen
gebildet, und diese werden an private Investoren verkauft mit
unterschiedlichen Graden an Verlustabsorption. Genauso sieht es hier
aus. Diese Produkte, die in der Finanzkrise heftige Spuren
hinterlassen haben, wurden über Zweckgesellschaften verkauft. Das
soll bei ESB ebenfalls wieder so gemacht werden. Gerade
Zweckgesellschaften stoßen bei Investoren nicht auf große Gegenliebe.
Alles, was erklärt werden muss, und das müssen Zweckgesellschaften
und ihre Vorgehensweise auch, sorgt immer für hochgezogene
Augenbrauen. Und dass gerade strukturierte Produkte, mit denen die
Finanzwelt in den vergangenen Jahren nicht die besten Erfahrungen
gemacht hat, nun das Heilmittel für eine mögliche Staatsschuldenkrise
sein sollen, mag so mancher auch nicht recht glauben. Kritiker werden
sehr deutlich, was die Ausgestaltung des Produktes betrifft. "Das
Produkt ist nicht vom Markt her gedacht. Niemand wartet darauf. Die
Umsetzung erfordert aber die Initiative der Kapitalmarktteilnehmer,
so dass der Vorschlag am Ende ins Leere laufen kann", sagt Hendrik
Haag, Partner für Kapitalmarktrecht bei der Rechtsanwaltskanzlei
Hengeler Mueller, dieser Zeitung. Man fragt sich natürlich auch, wie
so ein Produkt reagieren würde, wenn es tatsächlich zu einer Krise
kommt. Vor allem muss man sich der Kapitalmarktwirkungen bewusst
sein, wenn von möglichen Ansteckungseffekten die Rede ist, und die
tauchen an den Märkten sehr schnell auf. Wenn ein Land auszufallen
droht, haften die Inhaber der Junior-Tranche. Wenn das nächste Land
kommt, vielleicht wieder diese, dann aber irgendwann die Inhaber der
Senior-Tranche. Doch man sollte berücksichtigen, dass man sich von
solchen Anleihen auch vorher trennen kann. Und vermutlich werden die
Inhaber der jeweiligen Anleihen nicht so lange warten, bis der
Haftungsfall eintritt. Die Papiere könnten nacheinander gnadenlos
verramscht werden. Ob sich so ein SBBS-Gebilde noch retten lässt,
wenn sein Markt abrutscht? SBBS wären dann nicht die Feuerwehr,
sondern der Brandbeschleuniger. Keine gute Idee. (Börsen-Zeitung,
26.5.2018)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

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