Mittelbayerische Zeitung: Übernehmt Verantwortung! / Leitartikel zur Regierungskrise in Italien
Geschrieben am 29-05-2018 |
Regensburg (ots) - Italien und die EU müssen eine offene
Diskussion über den Euro führen. Italien steckt in einer
beispiellosen institutionellen Krise. Beinahe drei Monate sind seit
den Parlamentswahlen vergangen. Die Regierung aus der populistischen
Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsnationalen Lega scheiterte am Veto
des Staatspräsidenten gegen die Nominierung eines Euro-kritischen
Wirtschafts- und Finanzministers. Nun soll der EU-freundliche Ökonom
Carlo Cottarelli Italien mit einer Übergangsregierung zu Neuwahlen
führen. Alle blicken gebannt auf das Chaos in Rom. Die Italien-Krise
ist gefährlich, weil ihr Ausgang unberechenbar ist. Auf der einen
Seite stehen populistische Parteien, die auf mehr als 50 Prozent der
Zustimmung der italienischen Wähler zählen können und offenbar
gewillt sind, drastische Veränderungen zu provozieren, vor allem im
Hinblick auf einen Verbleib Italiens im Euro. Ob sie sich der
Konsequenzen einer solchen Entscheidung bewusst sind oder vor allem
Emotionen schüren und Feindbilder zementieren, ist unklar.
Verständnisloses Kopfschütteln über Rom hilft jedenfalls nicht
weiter. Im Unterschied zur zwangsläufig eher passiven Haltung der EU
gegenüber der nationalistischen Politik des US-Präsidenten Donald
Trump, betrifft das Schicksal Italiens die Nachbarländer noch
unmittelbarer. Im Kern geht es um die Sorge eines Euro-Austritts der
drittgrößten Volkswirtschaft in Europa oder Wetten der Finanzmärkte
gegen die Bezahlbarkeit der italienischen Staatsschulden. Beides
hätte direkte Auswirkungen auf die gesamte europäische
Volkswirtschaft. Die Krise muss deshalb als Chance für Italien und
die EU genutzt werden. Derzeit scheint noch politischer
Handlungsspielraum gegeben im Hinblick auf mögliche Reformen. Wenn
die Finanzinvestoren und Ratingagenturen, die über die Bezahlbarkeit
der enorm hohen italienischen Staatsschulden bestimmen, einmal von
Panik ergriffen sind, wird die Politik von der sich überschlagenden
Realität getrieben. Deshalb gilt es nun, die bislang nur von
Experten-Zirkeln diskutierten Fragen offen auf den Tisch zu legen.
Das gilt für die Italiener genauso wie für Deutsche, Österreicher
oder Franzosen. Wie funktioniert der Euro? Wem nützt er, wem schadet
er? Gibt es Alternativen und welchen Preis haben sie? Wo muss Europa
noch enger zusammen rücken, wo sich wieder loslassen? Welches sind
die realistischen Lösungen der Krise? Bislang waren viele dieser
Fragen tabu. Tabus sind keine Lösung, im Gegenteil. Der Populismus
gedeiht durch die Verletzung von Tabus. Ihm ist beizukommen durch
offene Diskussion und Realismus, nicht durch hilflose
Schuldzuweisungen und Sich-Verbarrikadieren hinter alten
Gewissheiten. Das gilt auch für Bürger oder Journalisten, die von der
Verantwortungslosigkeit der Italiener und ihrer angeblichen
Schmarotzer-Mentalität überzeugt sind. Die Regierungskrise in Italien
bietet nun die Chance, die offenen Fragen ohne Angst und bei
Bewusstsein zu diskutieren. Die Italiener, aber auch die anderen
EU-Bürger sollten sich mit den Eigenheiten der Währungsunion
auseinandersetzen, die Politik muss hier den Anfang machen. Der Euro
ist Materie für Experten. Aber wenn Europas Bürger sich nicht
weiterhin über eine politische Klasse beschweren wollen, die
angeblich immer die falschen Entscheidungen trifft, muss nun eine
offene Diskussion in Gang kommen. Die Alternative ist ein weiteres,
unkontrolliertes Hineinschlittern in die Krise. Vor allem an den
Italienern liegt es nun, die unterschwellig durch
Fünf-Sterne-Bewegung und Lega heraufbeschworenen Themen anzugehen.
Eine Diskussion über Italiens Euro-Austritt wurde nie geführt,
gespielt wurde hingegen mit Ängsten und Stereotypen. Nachhaltige,
kluge Entscheidungen können auf diese Weise nicht getroffen werden.
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Mittelbayerische Zeitung
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