Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Grenell: Trumps Abrissbirne in Europa von Thomas Spang
Geschrieben am 05-06-2018 |
Regensburg (ots) - Der Aufregung um das Verhalten des neuen
US-Botschafters in Deutschland liegt ein doppeltes Missverständnis
zugrunde. Richard Grenell glaubt, er könne in seinem neuen Amt wie im
alten Job beim TV-Sender FOX agieren. Nicht als Top-Diplomat der
Vereinigten Staaten von Amerika, sondern als Trommler des Trumpismus,
der sich aktiv in die inneren Angelegenheiten seines Gastlandes
einmischt. In Deutschland andererseits gibt es immer noch einige, die
sich den massiven Angriff Trumps auf die Nachkriegsordnung, die
Amerika selber geschaffen hat, schönreden. Richard Grenell hat den
Botschafterposten nicht wegen seiner diplomatischen Fähigkeiten
bekommen, sondern weil er ohne Hemmungen die Abrissbirne durch die
transatlantischen Beziehungen schwingen lässt. In den Augen des
Präsidenten könnte es für den Posten am Brandenburger Tor keinen
Besseren geben. Die Frage bleibt, was der Gastgeber mit jemanden
macht, der auf einer aus düsteren Kanälen finanzierten Agitprop-Seite
offen über seine destruktive Mission in Deutschland und Europa
spricht. Die renommierte Kolumnistin Anne Applebaum weist in der
Washington Post zurecht auf das Orwellsche "Neusprech" in Grenells
Einlassungen bei Breitbart hin. Wenn er sagt, er wolle "andere
Konservative in Europa ermächtigen", habe dieser nicht
Mitte-rechts-Parteien wie die CDU im Sinn. "Es bedeutet, er
unterstützt deren Gegner". Bezogen auf die deutsche Politik bedeutet
das zweierlei. Grenell versucht, durch das Hofieren von Kräften wie
Jens Spahn einen Keil in die Union zu treiben und gibt gleichzeitig
Sympathien für die AfD zu erkennen. Sie sind Teil der "populistischen
Internationalen", von der Trumps Vordenker träumen. Gemeinsames
Kennzeichen: der Hang zum Autoritären, Übersteigerung des Nationalen
und eine befremdliche Nähe zu Russland. Applebaum beobachtet
messerscharf, wie in diesen Bewegungen nicht akzeptable Hetze in
neuem Gewand wieder auflebt. "Indem 'jüdisch' durch 'globalistisch'
ersetzt wird, kann nun wieder eine 'internationale globalistische
Verschwörung' behauptet werden". Jacob Heilbrunn hält es in einem
Beitrag zur US-Publikation "National Interest" deshalb für besonders
bedenklich, "dass ein amerikanischer Botschafter, der ein Land
repräsentiert, das die Nazis gestürzt hat, nun das Wasser für die am
meisten nach hinten gerichteten Kräfte im modernen Europa trägt".
Heilbrunn rät den Deutschen, diesen Botschafter nicht länger zu
dulden. Leider wird es mit einem Rausschmiss nicht getan sein. Denn
Richard Grenell ist die Stimme seines Herrn. Vielmehr muss sich auf
breiter Front die Erkenntnis durchsetzen, dass Trumps Amerika kein
verlässlicher Verbündeter mehr ist. Überraschen kann das eigentlich
nur denjenigen, der ignoriert hat, was der amtierende Präsident seit
dem Jahr nach dem Fall der Mauer in Berlin öffentlich zu Protokoll
gegeben hat. Donald Trump ist ein überzeugter Protektionist, er hat
wenig für die multilaterale Weltordnung inklusive der Nato übrig und
ist kein Freund der Deutschen oder gar Europas. Berlin sollte den
neuen US-Botschafter so behandeln, wie er sich aufführt. Am besten
ist es, ihm nicht ständig eine Kamera ins Gesicht oder ein Mikrofon
unter die Nase halten. Das ist der Treibstoff, der Agitatoren zu
Hochtouren auflaufen lässt. Doch Grenell ist nicht die Ursache,
sondern das Symptom eines größeren Problems. Wenn die Europäer nicht
zusammenrücken, um die Werte der westlichen Demokratie und des
Freihandels zu verteidigen, droht ihnen, zwischen den Mühlen Putins
und Trumps zerrieben zu werden. Europa muss aufwachen, bevor es zu
spät ist.
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