NRZ: Historisch, aber wenig Substanz - ein Kommentar von JAN JESSEN
Geschrieben am 12-06-2018 |
Essen (ots) - Es ist nicht verfehlt, den Gipfel von Singapur als
historisch zu bezeichnen. Der Anführer der freien Welt trifft den
stalinistischen Diktator Nordkoreas und versteht sich prima mit ihm.
Die Welt könnte so einfach sein. Ist sie aber nicht. Entkleidet man
diesen Gipfel von den pompösen Bildern und Trumps grotesken
Lobeshymnen auf einen Mann, in dessen Arbeitslagern Zehntausende
Menschen leiden, so bleibt da wenig Substanzielles. Kim Jong Un hat
sich der Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel verpflichtet,
so wie er das schon im April getan hat. Er hat dafür die ganz große
Bühne erhalten. Auch Trump hat die Bilder bekommen, nach denen er
sich sehnt: der Dealmaker, der Friedensfürst. Ein konkreter Fahrplan
oder Details zu der angestrebten nuklearen Abrüstung finden sich aber
nicht in der Vereinbarung. Zudem scheinen die Vorstellungen, was
genau mit dem Terminus Denuklearisierung gemeint ist, weit
auseinanderzugehen. Es ist der Welt, speziell den Menschen im
pazifischen Raum, zu wünschen, dass diese Friedensmission erfolgreich
abgeschlossen wird. Ein atomwaffenfreies, vereinigtes Korea ist ein
Ziel, das am Ende zäher Verhandlungen liegen könnte. Ein Anfang ist
gemacht. Die Erwartungen sollten aber nicht zu enthusiastisch sein.
1994 hatte sich Nordkorea zur Aufgabe seines Atomprogramms
verpflichtet, 2005 zur nuklearen Abrüstung. Der Ausgang ist bekannt.
Trump wiederum hat sich bisher nicht durch Geduld hervorgetan. Der
nächste Tweet könnte wieder alles zunichte machen.
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