Politologe Herfried Münkler über den Asylstreit in der Union: "Ungute Erinnerungen an Weimar"
Geschrieben am 04-07-2018 |
Hamburg (ots) - Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler
bezeichnet die durch den Asylstreit ausgelöste politische Krise als
einmalig in der deutschen Nachkriegsgeschichte. "Dieses leichtfertige
Spielen mit der politischen Stabilität ruft ungute Erinnerungen an
Weimar hervor", sagte der Professor der Berliner Humboldt-Universität
im Interview mit dem Hamburger Magazin stern. "Damals zerbrach die
letzte große Koalition unter dem SPD-Kanzler Müller an einer
ähnlichen Marginalie wie heute: der minimalen Erhöhung des Beitrags
zur Arbeitslosenversicherung", so Münkler.
Im Unterschied zur Endphase der ersten parlamentarischen
Demokratie hätten wir heute vor Augen, "wozu diese furchtbar
gefährliche Kombination aus Kompromissverweigerung,
Prinzipienreiterei und Zockertum führen kann." Die Konservativen
haben noch nie gut dagestanden, wenn sie sich von den Rechten haben
treiben lassen", so Münkler.
In der Auseinandersetzung mit der AfD attestiert der
Machiavelli-Experte vor allem den Christsozialen eine "gravierende
strategische Schwäche". Die CSU habe geglaubt, sie könne Merkel
jagen, dabei sei sie selbst Gejagte der AfD. "Egal, was die CSU
erreicht, die AfD sagt immer: Es ist nicht genug." Zudem
wiedersprächen aktuelle Umfragen der These, dass sich mit dieser
Strategie Wähler der rechtspopulistischen Partei zurückgewinnen
ließen.
Trotz des nun notdürftig kaschierten Konfliktes innerhalb der
Schwesterparteien CDU und CSU sieht der Politikwissenschaftler
weiterhin die Gefahr einer Spaltung der Union. "Diese Fähigkeit, in
weiten Kompromisslinien zu denken, ist zuletzt einer gewissen Lust am
Untergang gewichen." Die Rolle der Union als "letzte echte
Volkspartei" stehe auf dem Spiel. Ein Blick ins europäische Ausland
zeige, dass das Konzept Volkspartei "offenbar ein historisches
Auslaufmodell" sei. Für Münkler ein Grund zur Sorge: "Wir werden uns
noch mit tiefer Traurigkeit an die Zeiten der Volksparteien
zurückerinnern".
Diese Vorabmeldung ist nur mit Nennung der Quelle stern zur
Veröffentlichung frei.
Pressekontakt:
Sabine Gruengreiff,
Gruner + Jahr Unternehmenskommunikation,
Tel. 040 3703 2468
Original-Content von: Gruner+Jahr, STERN, übermittelt durch news aktuell
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