So kann die "Konzertierte Aktion Pflege" gelingen
Geschrieben am 04-07-2018 |
Witten (ots) - Pflegewissenschaftlerin der Uni Witten/Herdecke:
"Eine Gesundheitseinrichtung als rein renditeorientierten
Wirtschaftsbetrieb zu führen, ist unmoralisch"
Personalnot, schlechte Arbeitsbedingungen und eine enge Taktung
bei den Patientenkontakten bestimmen den Alltag der Pflegekräfte in
Deutschland. Angesichts dieser Probleme hat die Bundesregierung nun
die "Konzertierte Aktion Pflege" gestartet, mit der
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Familienministerin Franziska
Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) die Situation
verbessern möchten. Prof. Dr Ulrike Höhmann, Inhaberin des Lehrstuhls
für multiprofessionelle Versorgung chronisch kranker Menschen an der
Universität Witten/Herdecke (UW/H), erläutert, worauf es ankommen
wird, wenn die Probleme des Gesundheitssystems wirklich gelöst werden
sollen.
"Der erste Schritt muss es sein, zunächst einmal die
Rahmenbedingungen der Arbeit der Pflegekräfte zu verbessern. Das
heißt: Wir benötigen mehr Personal, es darf keine unplanbaren
Dienstzeiten mehr geben, d.h.die Pflegenden dürfen nicht ständig aus
ihrer Freizeit heraus wieder in den Betrieb beordert werden."
Dazu gehöre ebenfalls, dass die gut ausgebildeten Pflegekräfte
die Fähigkeiten, die sie in ihrer Ausbildung gelernt hätten, im
Alltag auch umsetzen könnten. Prof. Höhmann: "In einer Studie haben
wir herausgefunden, dass viele Pflegekräfte ihrem Beruf irgendwann
den Rücken zukehren, weil ihr Arbeitsalltag sich nicht mit ihrem
professionellen Ethos verbinden lässt. Es muss Zeit bleiben, mit den
Patienten zu sprechen, ihnen in Ruhe beim Essen zu helfen, mit ihnen
aufzustehen und herumzulaufen, mit Angehörigen in Ruhe zu sprechen,
sie zu informieren und zu beraten. Das wird aber nur gelingen, wenn
sich die Gesundheitseinrichtungen wieder darauf besinnen, wofür sie
eigentlich da sind." So dürfe es nicht Hauptziel einer Einrichtung
sein, mit der Pflege Geld zu verdienen. "Es muss darum gehen,
Menschen ein lebenswürdiges Leben zu ermöglichen. Die Privatisierung
von Gesundheitseinrichtungen mit dem Ziel, damit möglichst viel
Rendite zu machen, sind damit nicht vereinbar", so Prof. Höhmann.
So sei es bedenklich, wenn in Anzeigen für besonders effiziente
Geldanlagen Gesundheitseinrichtungen mit einer anvisierten Rendite
von 4-6 Prozent im Moment recht weit oben rangierten. "Es geht nicht
darum, dass mit Pflege kein Geld verdient werden soll", sagt Höhmann.
Allerdings müsse sich dies in einem engen Rahmen halten und das
grundlegende Ziel ein anderes sein. "Um es klar zu sagen: Wenn
Gesundheitseinrichtungen als rein renditeorientierter
Wirtschaftsbetrieb geführt werden, dann ist das schlicht unmoralisch.
Für mich gehört die Gesundheit zu den Grundbedürfnissen der Menschen,
so wie Luft, Wasser und Nahrung. Das darf nicht einem reinen
Gewinnstreben untergeordnet werden."
In einem weiteren Schritt müsse es darum gehen, die Pflegeberufe
allgemein attraktiver zu machen. "Die Pflege muss auch Menschen, die
Karriere machen möchten, Angebote machen", so Höhmann. "Dazu braucht
es nicht nur eine weitere Akademisierung der Pflege, sondern vor
allem auch akademisierte Tätigkeiten, die das Personal ausüben kann.
Sie müssen die Dinge, die sie im Studium gelernt haben, auch anwenden
und autonom umsetzen dürfen." Dabei solle es aber auch nicht darum
gehen, unqualifizierten Menschen aus der Pflege auszuschließen. "Es
muss aber die Möglichkeit geben, sich weiter zu qualifizieren und
neue Qualifikationsstufen zu erreichen. Wir brauchen eine klare
Aufgabentrennung, nach Qualifikationsstufen. Da ist dann für alle
Platz. Und auch das allein hilft nichts, wenn es keine Arbeitsplätze
gibt, wo Pflegende ihr Wissen auch einsetzen können. Sonst bleibt es
bei der Situation, dass manche Pflegende zwar studiert haben, aber
nicht entsprechend bezahlt und dann auch noch sachfremd eingesetzt
werden. Im Moment sind viele ausgebildete Pflegekräfte oft genug nur
damit beschäftigt, Hilfskräfte anzuweisen. Diese wiederum fühlen sich
dann häufig überfordert - und die ausgebildeten Pflegenden
fehlplatziert. Hier muss noch viel passieren."
Der falsche Weg wäre laut der Pflegewissenschaftlerin, nun in
großem Maßstab vergleichsweise kostengünstige Pflegekräfte aus
anderen Ländern nach Deutschland zu holen. "Das wird das grundlegende
Problem nicht lösen", sagt sie. "Vielmehr muss es darum gehen, den
Beruf wieder so attraktiv zu machen, dass auch hierzulande die
Menschen wieder bereit sind, eine Ausbildung in diesem Bereich zu
absolvieren oder in ihren ursprünglichen Beruf zurückzukehren."
Ein Foto von Frau Prof. Höhmann zum Herunterladen finden Sie
unter: www.uni-wh.de/fileadmin//user_upload/01_Uni/08_Presse/2018/3.Q
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