Zwei Jahre Rücknahmepflicht von Elektroaltgeräten: Deutsche Umwelthilfe kritisiert massive Rechtsverstöße bei Apple, Hagebau, Kaufland und Co.
Geschrieben am 23-07-2018 |
Berlin (ots) - Hunderttausende Tonnen Elektroschrott landen im
Restmüll oder vergiften die Umwelt in Afrika, weil Landes- und
Bundespolitik EU-Vorschriften und nationale Gesetze nicht durchsetzen
- Testbesuche der DUH zur korrekten Umsetzung der Rücknahmepflicht
von Elektroaltgeräten bei stationären Händlern ergaben systematische
Gesetzesverstöße bei mehr als der Hälfte der untersuchten 52
Geschäfte
- DUH fordert konsequenten Vollzug durch die Bundesländer und
Verhängung von Bußgeldern bei Verstößen
- Nichtumsetzung gesetzlicher Pflichten ist mitverantwortlich für
die Nichterreichung verbindlicher Sammelquoten
- Boykott des Handels zur Rücknahme von Elektrogeräten befördert
den illegalen Export nach Afrika und dortige katastrophale
Entsorgungspraktiken, wie der neue Film "Welcome to Sodom - dein
Smartphone ist schon hier" aufdeckt
- DUH wird gegen festgestellte Verstöße des Handels rechtlich
vorgehen
Seit dem 24.7.2016 verpflichtet das Elektro- und
Elektronikgerätegesetz (ElektroG) Unternehmen unter bestimmten
Voraussetzungen zur kostenfreien Rücknahme von Elektroaltgeräten und
zur Information über deren Rückgabemöglichkeiten. Allerdings
boykottieren nach wie vor große Teile des Handels die
Rücknahmeverpflichtung und setzen Regelungen überhaupt nicht oder nur
ungenügend um. Dies zeigen Testbesuche der Deutschen Umwelthilfe
(DUH) im ersten Halbjahr 2018 in insgesamt 52 Filialen großer
Handelsketten. Bei rund einem Drittel der stationären Händler konnten
Elektrokleingeräte nicht oder nur nach mehrmaligem Insistieren
abgegeben werden. Unter anderem schnitten Filialen namhafter
Unternehmen wie Apple, Hellweg, Sconto, Poco, Hagebau und Hornbach
besonders schlecht ab. Aber auch Unternehmen, die korrekt gesetzliche
Mindeststandards umsetzen, erschweren die Rückgabe durch umständliche
Anfragen beim Kundendienst oder versteckte Informationen.
Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation fordert die
Handelsunternehmen auf, die Gesetzesverstöße sofort zu beenden und
Verbraucher aktiv und verständlich darüber aufzuklären, wie sie ihre
alten Elektrogeräte zurückgeben können. Auch muss die Rückgabe
einfach und verbraucherfreundlich gestaltet sein. Gesetzliches Ziel
ist es, bis 2019 mindestens 65 Prozent der Elektroaltgeräte für eine
umweltgerechte Behandlung zu sammeln. Die Zahlen der Stiftung
Elektro-Altgeräte Register zeigen, dass voraussichtlich nicht einmal
die gesetzliche Sammelquote für Elektroaltgeräte von 45 Prozent für
das Jahr 2016 erreicht wurde. Die DUH wird die Rücknahmepflicht im
Handel weiterhin kontrollieren und gegen Gesetzesverstöße vorgehen.
"Viele Verbraucher wissen bis heute nicht, unter welchen
Voraussetzungen und bei welchen Händlern sie ausgediente
Elektroaltgeräte abgeben können. Noch immer hält sich fast die Hälfte
der Händler nicht an die gesetzlichen Informationspflichten und
ungeschulte Mitarbeiter erschweren die Rückgabe alter Elektrogeräte,
anstatt Verbraucher dabei zu unterstützen. Dieser Zustand ist völlig
inakzeptabel. Der Boykott des Handels zur Rücknahme von
Elektrogeräten ist mitverantwortlich für die Nichterreichung
gesetzlicher Sammelquoten. Stattdessen landen wert- und
schadstoffhaltige Elektrogeräte im Restmüll, in der Umwelt oder sie
werden im schlimmsten Fall ins Ausland exportiert", kritisiert der
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
In Filialen von Hagebau, Kaufland, Möbel Höffner, Poco, Sconto,
Toys "R" Us und bei vielen weiteren Händlern konnten keine
schriftlichen Informationen zur Rücknahmepraxis gefunden werden. In
den Filialen von Roller Möbel und Saturn hielten die Mitarbeiter
Energiesparlampen nicht für Elektroaltgeräte oder meinten, sie
könnten im Hausmüll entsorgt werden.
Bei 16 stationären Händlern konnten Elektrokleingeräte nicht oder
nur nach mehrmaliger Nachfrage abgegeben werden. So hieß es bei
Roller Möbel, Holz Possling und SB Möbel Boss unrechtmäßig, dass eine
Rückgabe nur möglich sei, wenn auch ein Neugerät gekauft wird. Die
Annahme von Großgeräten wurde in acht Fällen rechtswidrig verweigert.
Karstadt, SB Möbel Boss, Sconto und Euronics XXL verlangten bei
Lieferung eines neuen Geräts unzulässigerweise Transport- oder
Entsorgungskosten für die Mitnahme des Altgeräts. Bei rund einem
Drittel der besuchten Filialen wurde die Abgabe von Energiesparlampen
und LEDs unrechtmäßig verweigert, obwohl bei diesen eine Sammlung
aufgrund enthaltener Schadstoffe besonders wichtig ist. Darunter
waren Filialen von Apple, Cyberport, Roller Möbel, Spiele Max, Toys
"R" Us und Sconto.
Aufgrund der besorgniserregenden Zustände im Einzelhandel fordert
Resch die Bundesländer dazu auf, endlich Kontrollen durchzuführen und
bei Verstößen konsequent Bußgelder zu verhängen. "Das Missachten
gesetzlicher Pflichten wird durch das völlige Fehlen behördlicher
Kontrollen salonfähig gemacht. Die für den Vollzug verantwortlichen
Bundesländer und unteren Behörden müssen Umweltgesetze endlich ernst
nehmen und Verstöße bestrafen, sonst nimmt sie keiner mehr ernst.
Solange die für die Kontrolle des Elektrogesetzes zuständigen
Landesbehörden untätig bleiben, wird die DUH die Einhaltung notfalls
auf dem Rechtsweg durchsetzen", so Resch.
"Dass eine verbraucherfreundliche Information und Rücknahme von
Elektroaltgeräten problemlos und ohne wirtschaftliche Nachteile
umsetzbar ist, belegen die sehr guten Testergebnisse bei einigen
Filialen von toom und Obi. Sie zeichneten sich durch eine
reibungslose Rücknahme, geschulte Mitarbeiter und die Bereitstellung
aller wesentlichen Informationen aus", erklärt der stellvertretende
DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft Philipp Sommer.
Bei Bauhaus, Ikea, Möbel Höffner, Conrad, Globus, Real, Medimax,
Toom und Hornbach wird separat auf die Abgabe von alten
Energiesparlampen und LED-Lampen hingewiesen. Das ist wichtig, da
viele Verbraucher nicht wissen, dass es sich dabei ebenfalls um
Elektroaltgeräte handelt.
"In Deutschland werden mittlerweile knapp zwei Millionen Tonnen
Elektrogeräte pro Jahr in Verkehr gebracht. 2016 wurden aber nur etwa
700.000 Tonnen ordnungsgemäß erfasst und recycelt. Dies liegt unter
anderem an den nicht ausreichenden Rücknahmebemühungen der
Vertreiber. Diese haben in 2016 nur rund 70.000 Tonnen Elektroschrott
zurückgenommen. In der Konsequenz befördert die Verweigerungshaltung
des Handels zur ordnungsgemäßen Rücknahme von Elektroaltgeräten auch
deren illegalen Export nach Afrika, wo die Produkte unter
unmenschlichen Bedingungen ausgeschlachtet werden. Grob geschätzt
werden mindestens 400.000 Tonnen Elektroschrott illegal exportiert",
sagt Sommer.
Welche katastrophalen Folgen die illegale Entsorgung von
Elektroschrott im Ausland hat, zeigt der Dokumentarfilm "Welcome to
Sodom - dein Smartphone ist schon hier", der am 2. August 2018 in die
deutschen Kinos kommt. "Der Film offenbart auf eindrucksvolle Weise
die Folgen des illegalen Exports von Elektrogeräten und die Auswüchse
unserer Wegwerfgesellschaft. An diesen katastrophalen Zuständen in
Afrika trägt der deutsche Handel eine Mitschuld, wenn er die
Rücknahme von Elektrogeräten für eine ordnungsgemäße Entsorgung
gezielt erschwert und verhindert", kritisiert Sommer.
Hintergrund:
Seit dem 24.7.2016 können Verbraucher alte Elektrogeräte kostenlos
bei Händlern zurückgeben, die Elektrogeräte auf einer Fläche von
mindestens 400 Quadratmetern verkaufen - bei Onlinehändlern gilt die
Versand- und Lagerfläche. Die Zahlen der Stiftung Elektro-Altgeräte
Register zeigen, dass die gesetzliche Sammelquote für
Elektroaltgeräte von 45 Prozent für das Jahr 2016 voraussichtlich
nicht erreicht wird. Dies liegt unter anderem an den nicht
ausreichenden Rücknahmebemühungen des Handels. Insgesamt fallen in
Deutschland etwa 1,7 Millionen Tonnen Elektroschrott pro Jahr an.
Links:
DUH-Testergebnisse zur Rücknahme von Elektroaltgeräten im
stationären Handel: http://l.duh.de/p180723
Flyer für Händler und Verbraucher sowie weitere Informationen zur
Rückgabe ausgedienter Elektrogeräte:
https://www.duh.de/projekte/elektro-rueckgabe/
Link zum Kinostart des Dokumentarfilms "Welcome to Sodom - Dein
Smartphone ist schon hier" am 2. August 2018: www.welcome-to-sodom.de
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Philipp Sommer, Stellv. Leiter Kreislaufwirtschaft
030 2400 867 462, sommer@duh.de
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
030 2400867-20, presse@duh.de
www.duh.de, www.twitter.com/umwelthilfe, www.facebook.com/umwelthilfe
Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell
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