Börsen-Zeitung: Zitterpartie,
Kommentar zu Linde/Praxair von Stefan Kroneck
Geschrieben am 06-08-2018 |
Frankfurt (ots) - Das Drama um die Fusion von Linde und Praxair
steuert auf einen Höhepunkt zu. Zwei Jahre nach Aufnahme der
Verhandlungen droht dem Zusammenschluss zwischen dem Münchner
Industriegasekonzern und seinem US-amerikanischen Wettbewerber kurz
vor dem Ziel das Aus.
Wie das Dax-Mitglied warnte, kann das Vorhaben an Nachforderungen
der amerikanischen Kartellwächter scheitern. Nimmt man die
Kursreaktion als Maßstab, haben die Anleger ihr Urteil nach der
überraschenden Nachricht vom Wochenende längst gefällt: Die Fusion
ist geplatzt. Am Montag, 33 Stunden nach der Ad-hoc-Meldung, brach
die Linde-Aktie zeitweise um 10 Prozent ein.
Die Investoren räumen beiden Unternehmen nur noch recht geringe
Chancen ein, die US-Kartellbehörde mit weiteren Zugeständnissen zu
überzeugen. Aufgrund selbst gesteckter Schmerzgrenzen für
Kartellauflagen ist der Spielraum für das Duo begrenzt. Zugleich
läuft ihnen die Zeit davon, müssen doch bis zum 24. Oktober alle
zuständigen Wettbewerbsaufseher zustimmen.
Doch die Linde-Verwaltung - und insbesondere der
Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Reitzle - wird wohl nicht so
schnell die Flinte ins Korn werfen. Schließlich steht für den
ehemaligen Konzernchef ein "Lebenswerk" auf dem Spiel, ist er doch
eine der treibenden Kräfte für diese Allianz. Reitzle setzte sich
bisher gegen viele Widerstände durch. Insofern könnte sich eine
Zitterpartie um die Fusion anbahnen, in der sowohl der deutsche als
auch der amerikanische Konzern bemüht sein dürfte, doch noch die
Kurve zu bekommen.
Gelingt ihnen dies aber nicht, wären Reitzles Tage an der Spitze
des Kontrollgremiums gezählt. CEO Aldo Belloni war ohnehin nur mit
dem Ziel angetreten, die Fusion durchzuboxen. Dann wäre auch der
Italiener als Konzernchef kaum noch zu halten.
Eine Führungskrise wäre für Linde zwar ein herber Rückschlag, aber
verkraftbar. Schließlich geht es dem Unternehmen gut. Und zwar so
gut, dass Reitzles eigentliches Ziel, mit einem Zusammenschluss Linde
noch profitabler zu machen, an Gewicht verloren hat, wie man an den
Halbjahreszahlen ablesen kann. Der Konzern hat sich an das noch
höhere Renditeniveau von Praxair herangearbeitet.
Zum Überleben braucht Linde die Amerikaner sowieso nicht. Das
Unternehmen ist groß genug, um weiter allein gut klarzukommen.
Deshalb hätte Linde im Falle eines Scheiterns der Fusion mit Praxair
letztendlich vor allem eines verloren: wertvolle Zeit.
Pressekontakt:
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