Börsen-Zeitung: Erdogans Erdbeben,
Marktkommentar zur Türkei von Christopher Kalbhenn
Geschrieben am 10-08-2018 |
Frankfurt (ots) - Mit dem drastischen Kursrutsch ist aus der
Lira-Krise ein Erdbeben geworden, das weit über die Grenzen der
Türkei hinaus zu spüren ist. Die Währung des Landes sackte in der
Spitze um 23 Prozent auf 6,80 Lira pro Dollar ab, ein Rekordtief, bei
dem sich die seit Jahresbeginn angefallenen Verluste auf nahezu 80
Prozent summierten. Seit die türkische Notenbank im Juli von einer
angesichts der anziehenden Inflation und schwächelnden Währung
dringenden - und deutlichen - Leitzinserhöhung abgesehen hatte,
verstärkte sich der Druck auf die Finanzmärkte des Landes bereits,
weil dadurch die Sorgen um die Unabhängigkeit der Notenbank befeuert
wurden. In der abgelaufenen Woche brachten dann die US-Sanktionen
wegen eines in der Türkei inhaftierten amerikanischen Pfarrers und
ein Bericht, nach dem die EZB-Bankenaufsicht über das Engagement von
Instituten des Euroraums in dem Land besorgt sein soll, das Fass zum
Überlaufen.
Eine weitere Verschärfung der Entwicklung hätte nicht nur für
Banken mit starkem Engagement in der Türkei unangenehme Konsequenzen.
Sie würde auch Anleger hart treffen. Schließlich ist das Land nach
Volumen einer der größten Emittenten von Hartwährungsanleihen. Seine
Schuldtitel sind in vielen auf Schwellenländer fokussierte Portfolien
und Fonds prominent vertreten. Hinzu kommt die Ansteckungsgefahr für
andere Schwellenländer, die am Freitag in den Verlusten ihrer
Währungen bereits erkennbar wurde.
Die größten Sorgen müssen sich jedoch die Türkei und ihr Präsident
Recep Tayyip Erdogan machen. Der Sturz der Lira und die steigenden
Zinsen machen die Bedienung und Refinanzierung der
Fremdwährungsverbindlichkeiten des Staates sowie der Banken und
Unternehmen zu einer immer schwereren Last, und durch die jüngste
Entwicklung mehren sich die Zweifel, dass das noch lange gut geht.
"Mittlerweile spielen die Märkte durchaus einen Default der Türkei
durch, die Prämien der Kreditausfallversicherungen (CDS) kletterten
auf mehrjährige Höchststände", so die Landesbank Baden-Württemberg.
Versuche des türkischen Finanzministers, Erdogans Schwiegersohn
Berat Albayrak, die Lage mit einem Bekenntnis zu einer unabhängigen
Notenbank zu beruhigen, verpufften wirkungslos. Dazu trug neben den
von den USA deutlich erhöhten Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte
aus der Türkei bei, dass Erdogan erneut Verschwörungstheorien
bemühte und von einem "Wirtschaftskrieg" und "künstlicher
Finanzvolatilität" sprach.
Um ein völliges Desaster zu verhindern, müsste der türkische
Präsident eigentlich die richtigen Signale senden. Mit seinem hohen
Leistungsbilanzdefizit ist das Land, dessen Währungsreserven ein
bedenklich niedriges Niveau erreicht haben, auf Kapitalzuflüsse
angewiesen. Das setzt aber Vertrauen voraus. Kurzum: Erdogan muss
sich in einem ersten Schritt klar zur Unabhängigkeit der Zentralbank
bekennen. Und diese muss umgehend den Leitzins deutlich erhöhen, um
die Währung zu stabilisieren.
Die jüngste Erosion des Anlegervertrauens in die Türkei, so die
Ratingagentur Moody's Anfang Juni, als sie die Bonitätsnote des
Landes auf die Watchlist setzte, werde anhalten, wenn sie nicht mit
glaubwürdigen politischen Maßnahmen angegangen werde, was zu einer
deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit gravierender
Zahlungsbilanzprobleme führen werde. Die negative Veränderung der
Investorenstimmung sei eine erhebliche Herausforderung für ein Land,
das stark von Nettokapitalzuflüssen abhängig sei, um einen jährlichen
externen Bruttoausleihebedarf von mehr als 200 Mrd. Dollar zu
finanzieren, was das große Leistungsbilanzdefizit und kurzfristige
sowie vor der Fälligkeit stehende langfristige Schuldenfälligkeiten
in erheblichem Umfang reflektierten. Die Währungsreserven deckten
weniger als diesen Betrag. Im Juni war es fünf vor zwölf, jetzt ist
es zwölf - mindestens.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
649632
weitere Artikel:
- Allgemeine Zeitung Mainz: Chancenlos / Kommentar von Ralf Heidenreich zu Ökostrom-Siegeln Mainz (ots) - Verbraucher suchen Orientierung und wollen es
einfach. Häufig reicht ihnen ein Schlüsselwort oder ein schön
anzuschauendes Label, um die Kaufentscheidung zu treffen. Leider ist
die Einkaufswelt wesentlich komplizierter. Ökostrom liefert hierfür
ein gutes Beispiel. Auf dem Markt tummeln sich mittlerweile zwölf
verschiedene Gütesiegel, die sich zum Teil deutlich unterscheiden.
Rund 40 Prozent der Grünstromangebote verzichten sogar vollends auf
eine Zertifizierung. Niemand kann erkennen, ob diese Offerten in
ihrem Namen mehr...
- Astellas gibt Übernahme von Quethera bekannt Übernahme fördert das Engagement von Astellas für Innovationen in
der Augenheilkunde mit neuartigem Gentherapieprogramm für Glaukom
Tokyo und Cambridge, England (ots/PRNewswire) - Astellas Pharma
Inc. (TSE: 4503, Präsident und CEO: Dr. Kenji Yasukawa, "Astellas")
und Quethera Limited (CEO: Dr. Peter Widdowson, "Quethera") gab heute
bekannt, dass Astellas Quethera, ein Gentherapieunternehmen mit
Hauptsitz in Großbritanien mit Schwerpunkt auf der Entwicklung
neuartiger Behandlungsmethoden für Augenerkrankungen wie Glaukom,
übernommen mehr...
- The Stars Group and Mount Airy Casino Resort Partner to Launch Online Sports Wagering and Gaming in Pennsylvania Toronto and Mt. Pocono, Pennsylvania (ots/PRNewswire) -
The Stars Group (Nasdaq: TSG) (TSE: TSGI) and Mount Airy Casino
Resort today announced a partnership to enter Pennsylvania's online
sports wagering and gaming market.
Under the partnership, The Stars Group will provide customers in
Pennsylvania an all-inclusive, engaging experience by offering its
popular poker, casino (including slots and tables) and sports
wagering products. The Stars Group and Mount Airy Casino Resort
intend to launch the offerings following applicable mehr...
- MathemaTIC bei formativer Beurteilung auf dem ersten Platz Luxemburg (ots/PRNewswire) -
Das luxemburgische Ministerium für Bildung und Vretta
(http://www.vretta.com/) wurden bei der internationalen
Preisverleihung der e-Assessment Awards für MathemaTIC
(http://www.mathematic.org/) mit dem Preis für Best Use of Formative
Assessment ausgezeichnet.
Der renommierte Preis für die beste Lösung bei formativen
Beurteilungen ging an MathemaTIC (http://www.mathematic.org/) für
seinen besonderen Ansatz bei formativen Beurteilungen im großen
Maßstab und die erfolgreiche Implementierung an mehr...
- Errichtung von Freihandelszone und Hafen in Hainan wird durch Fachkräfterekrutierungsstellen im Ausland unterstützt Haikou, China (ots/PRNewswire) - Anfang August hat die Hainan
Association for Science and Technology in Zusammenarbeit mit
Sino-European Innovation Institute, CAST-FCPAE European (Belgien)
Base for Innovation and Entrepreneurship und Japan-China Science,
Technology and Culture Center drei exklusive
Fachkräfterekrutierungsstellen für Hainan in Europa und Japan (Tokio)
und im VK eröffnet. Mit dieser neuen Initiative will Hainan, Chinas
größte Sonderwirtschaftszone, laut der offiziellen Webseite der
Volksregierung der Provinz Hainan mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|