Börsen-Zeitung: Ein Klumpen Risiko,
Kommentar zur Bankenaufsicht von Bernd Neubacher
Geschrieben am 15-08-2018 |
Frankfurt (ots) - Erst Griechenland, dann Italien, nun die Türkei:
Es ist wieder die Zeit, in der man die Forderungen von Banken in
einem kriselnden Land zusammenrechnet, um zu ermitteln, von welchen
Instituten sich An- und Einleger lieber fernhalten sollten.
Angesichts des Verfalls der türkischen Lira staunten Beobachter
dieser Tage nicht schlecht: Da steht bei der spanischen Großbank BBVA
mal eben knapp das Doppelte des harten Kernkapitals am Bosporus im
Feuer; Unicredit ist dort mit 84 Prozent des Eigenkapitals am Start,
ING mischt mit 39 Prozent mit. Zwar zählt bei der Bewertung solcher
Exposures nicht nur das schiere Volumen, sondern auch die Frage nach
Sicherheiten, Laufzeiten und Risikogewichtungen. Dennoch dürfte klar
sein: Das Klumpenrisiko ist jeweils zu hoch oder aber das
Eigenkapital zu niedrig - in Spanien entfällt ohnehin rund ein
Viertel der "harten" Eigenmittel nicht auf gezeichnetes Kapital,
sondern auf in Steuergutschriften umgewandelte Verlustvorträge.
Die Lage in der Türkei ist nicht für jeden Marktakteur
überraschend eskaliert. Institute wie der Wiesbadener
Immobilienfinanzierer Aareal haben ihr Exposure dort schon vor Jahren
auf verdauliche Größen abgebaut. BBVA stockte ihren Anteil an der
Garanti Group, der zweitgrößten Bank des Landes, um zehn
Prozentpunkte auf fast 50 Prozent auf. Nun muss man nicht Sitz und
Stimme im Europäischen Ausschuss für Systemrisiken haben, um vor
einem Szenario Bammel zu bekommen, in dem die Türkei-Krise auf andere
Schwellenländer etwa in Lateinamerika übergreift. Denn in Südamerika
holt BBVA mehr Erträge herein als auf dem spanischen Heimatmarkt.
Wenn schon das Management des Instituts die Steuerung der
Klumpenrisiken nicht beherrscht, warum hat dann die Aufsicht nicht
beizeiten interveniert? Vermutlich geht man nicht ganz fehl in der
Annahme, dass die EZB angesichts der Türkei-Risiken derzeit
entsprechende Eigenkapitalzuschläge plant oder den Banken einen
geordneten Rückzug aus ihren Engagements am Bosporus nahelegt. Es
könnte bereits zu spät sein.
Tatsächlich sind das Management der Banken und die EZB nun ein
leichtes Ziel der Kritik, aber nicht das einzige. Wahr ist ebenso:
Regulierer, die es Kreditinstituten ermöglichen, gerade einmal 3
Prozent ihrer Bilanzsumme als Eigenkapital zu halten, dürfen sich
nicht beschweren, wenn eine Krise die Häuser rasch zu überfordern
droht. Allen teilweise berechtigten Beschwerden über Überregulierung
zum Trotz zeigen die Verwerfungen in der Türkei auch: Etliche Banken
haben nach wie vor zu wenig Eigenkapital.
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