Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Verteidigung/Blackout: Die Gefahr lauert im Stromnetz von Bernhard Fleischmann
Geschrieben am 10-09-2018 |
Regensburg (ots) - Europa muss mehr für seine Verteidigung tun.
Die USA ziehen ihren Schutzschild zurück. Deswegen werden wir wohl
die Bundeswehr aufrüsten. Dabei denken wir aktuell zuvorderst an
Auslandseinsätze. Denn dass uns ein anderes Land mit Flugzeugen und
Panzern überfällt, liegt weit jenseits der Vorstellungskraft.
Wahrscheinlich ist da ja auch auf absehbare Zeit nicht. Aber es
existiert eine bedrohliche Gefahr von ganz anderer Seite, an die
gewöhnlich kaum jemand denkt und bei der auch keine klassischen
Feuerwaffen helfen: Wer Deutschland oder einen anderen Staat schwer
treffen will, der schleicht sich digital an und hackt die
Infrastruktur. Am empfindlichsten trifft der Angreifer ein Land, wenn
er dessen Stromversorgung lahmlegt. Sie glauben, das geht nicht?
Höchstens ein Kraftwerk oder zwei? Welch ein Irrtum. Die Bedrohung
ist realer und größer denn je. Und die Folgen wären gravierender, als
man sie sich bei nur flüchtiger Betrachtung vorstellt. Ein Blackout
könnte dramatisch für die Menschen sein und in seinen Auswirkungen
auf sie mit einem konventionellen Waffenkonflikt durchaus mithalten.
Digitale Waffen treffen entwickelte Staaten wirkungsvoller als
Bomben. Erst jetzt wieder haben die Cyberexperten der Bundesregierung
unmissverständlich gewarnt: Sie halten es für möglich, dass Hacker
durch Angriffe auf einzelne Energieversorger in Deutschland einen
europaweiten Stromausfall verursachen können. Und sie stellen
ebenfalls fest, dass die Angreifer, wer immer sie auch sind, bereits
aktiv sind. Die Stromversorger wiegeln auch gar nicht erst ab,
sondern geben offen zu, dass sie das Thema "sehr, sehr ernst" nehmen.
Freilich mit dem Hinweis, dass sie sich entsprechend aufgestellt
hätten, um die Attacken sicher abwehren zu können. Doch daran sind
Zweifel erlaubt. Wie gut die Absicherung im Ernstfall hält, wissen
wir nicht. Die Strom-Infrastruktur galt schon immer als Angriffsziel.
Deshalb wurde sie geschützt, Leitstellen sind entsprechend gesichert.
Aber die Netze haben sich massiv gewandelt, wandeln müssen. Die
Energiewende mit ihren vielen kleineren dezentralen Erzeugern
erfordert intelligente Stromnetze mit umfassendem Datenfluss, um sie
steuern und aufrechterhalten zu können. Diese Smart Grids halten
Experten längst für potenzielle Einfallstore für digitale Angreifer.
Hier werden alte und neue Komponenten miteinander verknüpft, was
sicherheitstechnisch nur sehr schwer zu meistern ist. Deshalb kommt
auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu dem
Schluss: Je digitaler eine Infrastruktur, desto höher wird das
Risiko. Und was für ein Risiko: Szenarien eines flächendeckenden,
tagelangen Stromausfalls gleichen einer im Wortsinne düsteren
Schreckensvision. Die Kommunikationsnetze wären tot, kein Internet,
kein Handyempfang. Binnen kürzester Zeit gäbe es kein Wasser mehr,
weder zum Trinken noch als Brauchwasser etwa für die Toiletten. Bald
wäre auch kein Treibstoff mehr verfügbar - ohne strombetriebene
Pumpen fördern Zapfsäulen keinen Sprit. Das wiederum würde den
Verkehr und damit unter anderem die Lebensmittelversorgung zum
Erliegen bringen. Ebenso die Notstromaggregate von Krankenhäusern
oder Kraftwerken. Die Kühlung von Atomkraftwerken könnte daraufhin
versagen und die Reaktoren schmelzen lassen. Es käme zu
Hamsterkäufen, Unruhen, Seuchen, Gewalt und vielfachem Sterben in der
Bevölkerung. Das Zerstörungspotenzial eines solchen Ereignisses wäre
gigantisch. Es lohnt sich also sehr, Intelligenz, Geld und Energie
darin zu investieren, um solche Attacken ins Leere laufen zu lassen.
Erfolgreiche Saboteure könnten nahezu jeden Preis verlangen, um ihr
Zerstörungswerk zu beenden. Ohne Strom wird es nahezu überall auf der
Welt in jeglicher Hinsicht finster. Da hilft auch die Bundeswehr
keinen Schritt mehr weiter.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
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Telefon: +49 941 / 207 6023
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