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Arzneiverordnungs-Report 2018: Hochpreistrend bei Arzneimitteln verschärft sich

Geschrieben am 20-09-2018

Berlin (ots) - Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) inklusive der Zuzahlung der Versicherten
lagen 2017 bei 39,9 Milliarden Euro, ein deutliches Plus von 1,4
Milliarden Euro bzw. 3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. "Hauptursache
dieses Anstiegs sind die patentgeschützten Arzneimittel, auf die im
vergangenen Jahr 18,5 Milliarden Euro des GKV-Arzneimittelmarktes
entfielen. Damit hat sich ihr Umsatzanteil in den letzten 20 Jahren
von 33 Prozent auf 45 Prozent erhöht", sagt Prof. em. Dr. med. Ulrich
Schwabe, Herausgeber des Arzneiverordnungs-Reports 2018.

Jürgen Klauber, ebenfalls Herausgeber des
Arzneiverordnungs-Reports und Geschäftsführer des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK (WIdO), bestätigt die deutliche Verschiebung der
Arzneimittelausgaben hin zu Hochpreistherapien für häufig kleinere
Patientengruppen. "Einige Krankheitsgruppen zeichnen sich dadurch
aus, dass sie besonders geringe Verordnungsmengen haben, aber sehr
teure patentgeschützte Arzneimittel eingesetzt werden. So wurden etwa
für die Behandlung von Krebserkrankungen, Viruserkrankungen und von
schwerwiegenden Erkrankungen des körpereigenen Abwehrsystems 34
Prozent aller Arzneimittelausgaben verwendet, bei nur einem Prozent
aller verordneten Tagesdosen", sagt Klauber. Damit habe sich der
Ausgabenanteil für diese Therapiegebiete von 2007 bis 2017
verdoppelt.

Mit Blick auf ihre hohen Preise stellen auch Biologika zunehmend
eine große Herausforderung dar. Sie werden für die Therapie von Krebs
und chronisch-entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Laut
Arzneiverordnungs-Report lag ihr Umsatz 2017 bei 11,3 Milliarden Euro
und hat sich somit seit 2007 verdreifacht. Zwar sind seit mehr als
zehn Jahren Biosimilars - Nachahmerprodukte von Biologika -
verfügbar, doch deren Marktdurchdringung ist noch immer gering.
Verantwortlich ist dafür unter anderem die Anbieterstruktur. Von
insgesamt 14 Biosimilaranbietern waren 2017 sechs Originalanbieter
bzw. deren Tochterfirmen, auf welche in der Summe 83 Prozent der
gesamten Ausgaben für Biosimilars entfielen. "Auch das nicht immer
seriöse Marketing der pharmazeutischen Unternehmer für ihre
umsatzstarken Originalpräparate, ihre Bestrebungen den Patentschutz
zu verlängern oder Konkurrenzprodukte vom Markt fernzuhalten, spielen
eine Rolle bei den geringen Verordnungsquoten von Biosimilars. Hinzu
kommt, dass viele Ärzte immer noch zu wenig über den rationalen
Einsatz von Biosimilars wissen", sagt Prof. Dr. med. Wolf-Dieter
Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen
Ärzteschaft (AkdÄ) und Herausgeber des Arzneiverordnungs-Reports.

Der Hochpreistrend zeigt sich auch bei den sogenannten
Orphan-Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen. 2017 erzielten alle
Arzneimittel, die jemals als Orphan-Arzneimittel zugelassen wurden,
einen Umsatz von 3,3 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von
rund acht Prozent des GKV-Gesamtumsatzes. In den letzten zehn Jahren
hat sich dieser Umsatzanteil verdreifacht. Unter den zehn teuersten
Markteinführungen des Jahres 2017 befanden sich sieben
Orphan-Arzneimittel, alle mit Jahrestherapiekosten über 100.000 Euro.
Das teuerste Orphan-Arzneimittel kommt sogar auf rund 750.000 Euro.
Doch mehr und mehr zeigt sich, dass die mit dem Orphan-Status
verbundenen Absichten von der Pharmaindustrie ausgenutzt werden. So
wird der Status nicht nur für tatsächlich seltene Erkrankungen (fünf
Betroffene je 10.000 Personen) verwendet, sondern auch für solche,
die durch das Teilen von Anwendungsgebieten in mehrere, kleinere
Subgruppen entstehen. Schon heute gibt es eine Reihe von als Orphan
Drug gestarteten Arzneimitteln mit GKV-Ausgaben im dreistelligen
Millionenbereich, die für diverse Orphan-Indikationen zugelassen
sind.

Der Hochpreistrend belastet auch die Krankenkassen, denn in
Deutschland wird jedes zugelassene Arzneimittel unmittelbar mit dem
Markteintritt vollständig von der Gesetzlichen Krankenversicherung
erstattet. In den ersten 12 Monaten zu dem Preis, den der
Pharmahersteller festlegt. Dieses Vorgehen ist einzigartig in Europa.
"Mit Blick auf den Hochpreistrend bei den neuen patentgeschützten
Arzneimitteln müssen wir uns fragen, wie lange die Gesetzliche
Krankenversicherung in der Lage sein wird, derartige Preise zu
tragen. Die Pharmaindustrie sollte nicht den Ast absägen, auf dem sie
sitzt", so Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des
AOK-Bundesverbandes. Deshalb fordert die AOK rückwirkende Preise für
alle neuen Arzneimittel zum ersten Tag des Markteintritts. Litsch:
"Das wäre ein Signal an die Pharmafirmen, dass es sich nicht lohnt,
mit überhöhten Preisen in den Markt zu gehen und in den Verhandlungen
mit dem GKV-Spitzenverband überzogene Ansprüche an die
Kostenerstattung durch die GKV zu stellen. Die Beitragszahler der
Gesetzlichen Krankenkassen sind nicht dazu da, Pharmafirmen ihre
Traummargen zu finanzieren."

Hinweis an die Redaktionen
Alle Informationen auf www.wido.de und auf www.aok-bv.de.

Der Arzneiverordnungs-Report ist das Standardwerk für den
deutschen Arzneimittelmarkt. Seit mehr als 30 Jahren bietet er eine
unabhängige Informationsmöglichkeit über die verschiedenen
Komponenten der Arzneimittelverordnung und trägt damit zur
Transparenz des Arzneimittelmarkts, zur Bewertung von Arzneimitteln
und zu einer sowohl zweckmäßigen und sicheren evidenzbasierten als
auch wirtschaftlichen Arzneitherapie bei. Im Arzneiverordnungs-Report
werden die Arzneimittel-Rezepte für die Patienten der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) analysiert. So schafft er seit Jahren eine
wissenschaftlich fundierte Grundlage für den fachlichen Austausch
zwischen Ärzten, Apothekern und Krankenkassen. Sämtliche Analysen im
Arzneiverordnungs-Report basieren auf den Verordnungsdaten des
GKV-Arzneimittelindex. Das Projekt GKV-Arzneimittelindex, das ein
Projektbeirat mit allen relevanten Beteiligten im Arzneimittelmarkt
begleitet, wird im Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) seit
1985 durchgeführt.



Pressekontakt:
Dr. Kai Behrens
Pressesprecher des AOK-Bundesverbandes
Tel: 030 / 346 46 2309
E-Mail: presse@bv.aok.de

Original-Content von: Wissenschaftliches Institut der AOK, übermittelt durch news aktuell


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