Rheinische Post: Kommentar /
Merkel braucht eine Exit-Strategie
= VON EVA QUADBECK
Geschrieben am 26-09-2018 |
Düsseldorf (ots) - Die Kanzlerin braucht dringend ein Konzept, wer
und zu welchem Zeitpunkt ihre Nachfolge an der Parteispitze und damit
möglicherweise auch im Kanzleramt antreten kann. Wenn die CDU-Spitze
nicht selbst eine Exit-Strategie für die Kanzlerin findet, wird der
Unmut von Partei und Wählern dies übernehmen. Dagegen dürften die
Turbulenzen rund um die Wahl des neuen Fraktionschefs ein laues
Lüftchen sein.
Merkels Lebensleistung als Kanzlerin ist enorm. Um nur wenige
Punkte zu nennen: Sie hat Deutschland erfolgreich durch die
Finanzkrise und durch die Eurokrise gesteuert. Kein anderes Land in
Europa ist so stark aus diesen schweren Jahren hervorgegangen. Dank
manch überraschender politischer Volte hat sie die CDU als letzte
Volkspartei im Spiel gehalten. In der Ukraine hat sie mit ihrer
Verhandlungsstärke die Eskalation des Konflikts verhindert. Und bei
aller berechtigten Kritik an der Flüchtlingspolitik: Mit ihrer
Entscheidung, 2015 die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge in
Deutschland aufzunehmen, hat sie eine humanitäre Katastrophe mitten
in Europa abgewendet.
Sie hat sich den schmeichelhaften Ruf erarbeitet, die Anführerin
der freien Welt zu sein und dafür einen sehr hohen Preis bezahlt.
Ihre Autorität schwindet, beim Volk, bei der eigenen Partei und der
Fraktion. Sie hat auch ihre einst untrüglichen Instinkte verloren,
was der Mehrheit Meinung und des Volkes Wille ist. Niemand ist davor
gefeit, dass nach so vielen Jahren an der Macht auch die
Frühwarnsysteme im eigenen Umfeld versagen. Nun ist sie - eine harte
Beschreibung - eine Lame Duck. Ihre letzte Amtsperiode läuft, ihre
Macht ist erodiert. Sie sollte diese Zeit mit Würde zu Ende bringen.
Das kann aber nur gelingen, wenn sie von ihren eigenen Prinzipien
abrückt. Sie muss den Parteivorsitz in andere Hände legen. Damit
würde sie das Signal setzen: Seht her, meine Tage auch als
Bundeskanzlerin sind gezählt.
Mit einem solchen Schritt wäre das Regierungsbündnis noch lange
nicht im notwendigen ruhigen Fahrwasser. Die Gefahr, dass das Bündnis
mit der SPD an einer Sachfrage zerplatzt, wäre unverändert hoch.
Allein das geplante Fachkräftezuwanderungsgesetz besitzt genug
Sprengkraft, die Koalition zu beenden. Mit einem Wechsel an der
Parteispitze käme die CDU endlich wieder in die Vorderhand. Sie hätte
endlich wieder eine Zukunft.
Mit Ralph Brinkhaus an der Fraktionsspitze markiert ein Mann einen
Neuanfang in der Union, der sich zwar nicht als Merkel-Gegner
versteht, der aber gegen das System Merkel angetreten war. Daher
stehen die Chancen im Augenblick gut, dass die Partei einen oder eine
Merkel-Vertraute an der Spitze akzeptiert.
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Rheinische Post
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