Börsen-Zeitung: Dax droht Minusjahr / Kommentar von Christopher Kalbhenn zum Aktienmarkt
Geschrieben am 28-09-2018 |
Frankfurt (ots) - Hoffnungsvoll richtet der Markt den Blick auf
das Schlussquartal. Getragen von einem soliden Wirtschafts- und
Gewinnwachstum, so das von Strategen entworfene Szenario, wird der
Dax sein Aufwärtspotenzial entfalten, sobald die politischen
Belastungsfaktoren wie das Chaos in Italien, der Handelskonflikt und
der drohende Hard Brexit verschwinden oder sich zumindest
abschwächen, weil sich letztlich der gesunde Menschenverstand
durchsetzen wird. Leider hat er das zum Ende des dritten Quartals
noch nicht geschafft.
Die Vereinigten Staaten und China scheinen weit davon entfernt, zu
einem Kompromiss im Handelsdisput zu kommen. Experten weisen zudem
darauf hin, dass die amerikanische Regierung nicht nur unfaires
wirtschaftliches Gebaren Chinas im Sinn hat, sondern einen Kampf um
weltpolitische Vorherrschaft führt. Das deutet darauf hin, dass so
schnell keine Beruhigung zu erwarten ist. Zum Quartalsende hat
außerdem Italien mit seinem Haushaltsentwurf dem Aktienmarkt einen
Bärendienst erwiesen. Und auch hier dürfte sich die Lage in den
kommenden Wochen kaum beruhigen.
Dank der Schwäche vom Wochenschluss liegt der Dax nun bei 12247
Zählern, womit die Erwartungen für den Index zum Jahresende, die im
Durchschnitt um 13000 Punkte liegen, allmählich beginnen,
ambitioniert auszusehen. Der Index liegt nun 5,2% unter dem Stand von
Ende 2017. Damit droht dem deutschen Standardwerteindex, nach sechs
Jahren mit Gewinn, durchaus sogar ein Minusjahr.
Ob noch vor dem Jahresende Entwarnung von der politischen Seite
kommt, lässt sich kaum prognostizieren. Der Aktienmarkt hat aber
noch weitere Probleme. Der geldpolitische Rückenwind, der ihn lange
angetrieben hat, hat gedreht und bläst ihm mit zunehmender Stärke ins
Gesicht. Höhere Zinsen und der schrittweise Entzug der von den
Notenbanken zuvor großzügig spendierten Liquidität bedeuten ein
deutlich weniger günstiges Umfeld als in den zurückliegenden Jahren.
Hinzu kommen die latenten Sorgen, dass der langjährige Zyklus in
absehbarer Zeit enden und damit eine Korrektur bzw. ein Bärenmarkt
anstehen könnte.
Dabei gibt es durchaus gute Argumente für Aktien. Durch seine
mäßige Entwicklung ist seine Bewertung günstiger geworden. Zudem hat
sich der Bewertungsrückstand zum von Rekord zu Rekord eilenden S&P
500 damit erhöht. Zwar haben die Anleiherenditen ihr Tief gesehen
und werden voraussichtlich in den kommenden Monaten moderat anziehen.
Aufgrund des absolut gesehen niedrig bleibenden Renditeniveaus und
der sich abzeichnenden negativen Performance bleibt es vorerst dabei,
dass Bundesanleihen keine zufriedenstellende Alternative für
Dividendentitel sind. Allerdings gilt dies nicht mehr für Treasuries
mit Renditen oberhalb von 3%.
Der Startschuss für eine Schlussquartals-Rally wird in dem
aktuellen Umfeld wahrscheinlich nicht so schnell fallen. Nach Ansicht
der Commerzbank besteht das Risiko, dass der Dax zunächst unter die
Marke von 12000 Zählern abtaucht und noch mal das Niveau um 11800
Punkten austestet. Der Dax leide derzeit unter fallenden Gewinn- und
Dividendenerwartungen, und dieser negative Trend werde sich
möglicherweise vor dem Hintergrund einer enttäuschenden Gewinnsaison
für das dritte Quartal zunächst fortsetzen. Bei 11800 sieht das
Institut den Index aus Bewertungsgründen mit einem gleitenden
Zwölfmonats-KGV von 11,5 und einer Dividendenrendite von 3,5% stark
unterstützt. Zudem verweist sie auf das nach wie vor solide Wachstum
der Geldmenge M1, das ein guter Indikator für die
Aktienmarktentwicklung ist.
Auch die Helaba ist für die nächste Zeit skeptisch. Sie verweist
auf die Bewertung des US-Aktienmarkts. US-Aktien seien inzwischen
teuer. Auf Basis der wichtigsten Kennziffern liege die Bewertung klar
oberhalb des langfristigen Normalbandes. Für eine Phase steigender
Leitzinsen sei dies ausgesprochen ungewöhnlich. In vergangenen Zyklen
sei das KGV im Durchschnitt auf das Jahr umgerechnet um 10%
zurückgegangen, so dass der S&P 500 in Zinserhöhungsphasen im
Vergleich zu den Unternehmensgewinnen nur unterdurchschnittlich
zugelegt habe. Für US-Aktien werde die Luft somit zunehmend dünner.
Im Vergleich dazu wirkten europäische Dividendentitel allmählich
wieder etwas attraktiver. Auch wenn der relative Vergleich damit für
den Dax spreche, sei dennoch Vorsicht geboten. "Im Falle einer
Korrektur an den US-Leitbörsen würden wohl auch hiesige Standardwerte
in Mitleidenschaft gezogen."
(Börsen-Zeitung, 29.10.2018)
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