Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Verleihung des Friedensnobelpreises: Würdige Nobelpreisträger von Reinhard Zweigler
Geschrieben am 05-10-2018 |
Regensburg (ots) - Mit dem fünften Teil des jährlichen Zinses
seine Vermögens, so bestimmte es der Erfinder des Dynamits, der
Schwede Alfred Nobel, 1895 in seinem Testament, solle künftig
derjenige ausgezeichnet werden, der im vergangenen Jahr "am meisten
oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung
oder Verminderung stehender Heere oder die Förderung von
Friedenskongressen hingewirkt" habe. Mit großer Spannung war die
gestrige Entscheidung aus Hunderten möglichen Kandidaten und
Organisationen erwartet worden. Zu den immer wieder Genannten gehören
seit Jahren Papst Franziskus und die deutsche Bundeskanzlerin Angela
Merkel. Doch nicht immer hatte das Nobel-Komitee eine glückliche Hand
bei der Auswahl der jährlichen Träger der wohl wichtigsten
politischen Auszeichnung der Welt. Dem einstigen US-Präsidenten
Barack Obama wurde die Ehrung gleich im ersten Amtsjahr als
Vorschusslorbeer zuteil. Da war an ein erfolgreiches Atomabkommen mit
dem Iran noch nicht zu denken. Und in seinen zwei Amtszeiten zögerte
der Friedensnobelpreisträger Obama freilich nicht, Drohnen gegen
Terroristen einzusetzen, was auch viele unschuldige Zivilisten das
Leben kostete. Auch über den Nobelpreis für Michail Gorbatschow gehen
die Meinungen weit auseinander. Der Kremlchef brachte nicht nur
Glasnost und Perestroika in das Sowjetimperium, sondern unterstützte
auch einen Putschversuch gegen die Unabhängigkeit der einstigen
Sowjetrepublik Litauen, bei dem es Tote und Verletzte gab. Doch mit
der Entscheidung für die irakische Jesidin Nadia Murad und den
kongolesischen Arzt Denis Mukwege für den diesjährigen
Friedensnobelpreis hat das Osloer Komitee eine gute, eine würdige
Wahl getroffen. Es werden zwei mutige Menschen für ihren
bewundernswerten Einsatz gegen sexuelle Gewalt als Mittel des Krieges
geehrt. Murad und Mukwege geben dem Kampf gegen die massenhaften
Verbrechen an wehrlosen Frauen und Mädchen in Kriegen und Konflikten
ihr Gesicht und ihren Namen. Ihre Auszeichnung ist aber zugleich eine
Aufforderung an die internationale Gemeinschaft, alles zu
unternehmen, um die Verantwortlichen für die schrecklichen
Vergewaltigungen vor ein internationales Gericht zu stellen. Die
Täter und ihre Befehlsgeber müssen für die Verschleppungen,
Vergewaltigungen und Tötungen zur Rechenschaft gezogen werden. Auch
wenn die religiös verblendeten Krieger des Islamischen Staates (IS)
aus dem Irak weitgehend und aus weiten Teilen Syriens nahezu
vertrieben worden sind, befinden sich immer noch etwa 3000 Frauen und
Kinder in IS-Gefangenschaft. Ihr Schicksal und ihr Leid darf nicht
vergessen werden. Zumal die Scheinwerfer der internationalen
Aufmerksamkeit sich recht schnell anderen Schauplätzen zuwenden. Auch
daran erinnert die Entscheidung aus Oslo. Die Botschaft heißt: nicht
wegschauen, nicht weghören, nicht vergessen. Selbst wenn einem bei
der Schilderung der Gräuel, denen die Frauen und Mädchen ausgeliefert
waren, fast das Blut in den Adern zu stocken scheint. Ganz wichtig
für die Opfer ist zudem, dass sie auch in Freiheit nicht mit ihrem
Schicksal allein gelassen werden. Denn oft werden die Opfer sexueller
Gewalt danach noch stigmatisiert, von der Gesellschaft abgestempelt,
ausgegrenzt. Der kongolesische Gynäkologe Denis Mukwege hilft
unermüdlich betroffenen Frauen und prangert zugleich die weitgehende
Straflosigkeit ihrer Peiniger an. Dafür wird er jedoch mit dem Tode
bedroht. Die Auszeichnung dieses mutigen Arztes und der couragierten
jungen Jesidin ist ein wichtiges Zeichen gegen Gewalt, Menschenhandel
und Völkermord. Überall auf der Welt.
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