Börsen-Zeitung: Sturmwarnung,
Kommentar zu den Brexit-Verhandlungen von Andreas Heitker
Geschrieben am 18-10-2018 |
Frankfurt (ots) - Nach dem EU-Gipfel zeigten sich die beiden
Präsidenten von Kommission und Rat, Jean-Claude Juncker und Donald
Tusk, fröhlich und gelöst wie lange nicht in der Öffentlichkeit. Bei
der Schlusspressekonferenz waren sie zu Scherzen aufgelegt. Und Tusk
sagte dann noch, er könne es nicht belegen, habe aber "im Gefühl",
man sei einer Brexit-Verständigung näher gekommen. Auch wenn es nicht
so gemeint war - aber so was nennt man wohl Galgenhumor.
Der Europäische Rat war eine vertane Chance zur Einigung. Zu einer
solchen gehört nämlich im Endeffekt mehr, als öffentlich
Kompromissbereitschaft zu verkünden. Und in der Realität sind
Großbritannien und die EU-27 heute dem von allen Seiten nicht
gewollten No-Deal-Szenario näher als noch vor Wochenfrist.
Natürlich ist der Zug noch nicht abgefahren. Noch lässt sich die
anstehende Trennung einigermaßen geschmeidig gestalten. Selbst wenn
erst im Dezember auf Ebene der europäischen Staats- und
Regierungschefs eine Einigung gefunden würde, hätten das EU-Parlament
und das britische Unterhaus noch genügend Zeit für eine
Ratifizierung. Für die Unternehmen wird es aber von Woche zu Woche
schwerer, sich auf die Zeit nach dem Ausstieg Großbritanniens
vorzubereiten.
Allein die Automobilindustrie mit ihren komplexen
Wertschöpfungsketten und ihrer Just-in-Time-Produktion: Jeden Tag
über- oder unterqueren rund 1100 Lkw den Ärmelkanal, um Teile für die
Fahrzeugproduktion nach Großbritannien zu liefern. Der Brexit bedroht
die beteiligten Firmen nun mit milliardenschweren Zusatzkosten und
großen logistischen Problemen. Nach Angaben von Branchenverbänden
suchen zahlreiche Autobauer mittlerweile händeringend nach
Lagerraum.
Auch in anderen Sektoren sind die Notfallplanungen längst
angelaufen. Der Kreditversicherer Euler Hermes berichtet, dass sich
viele britische Unternehmen schon mit EU-Importwaren eindecken, um
sich auf Zölle oder gar Unterbrechungen der Lieferkette
vorzubereiten. Von "Hamsterkäufen wie nach einer Sturmwarnung" war
die Rede.
Und dies war der EU-Gipfel in dieser Woche auch: eine letzte
Sturmwarnung. Er hat noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass es
in diesem Fall vielleicht nicht so läuft wie sonst so oft in Europa
und dass vielleicht nicht kurz vor knapp und nach einer weiteren
Nachtsitzung in letzter Sekunde doch noch irgendeine Lösung gefunden
wird. Man kann nur jedem dazu raten, damit zu beginnen, sein Haus
wetterfest zu machen.
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