Börsen-Zeitung: Ansteckungsrisiko,
ein Marktkommentar von Dietegen Müller
Geschrieben am 19-10-2018 |
Frankfurt (ots) - Die Haushaltsplanung der instabilen römischen
Regierungskoalition stößt in Brüssel auf Ablehnung - und auch an den
Finanzmärkten. Der Risikoaufschlag zwischen zehnjährigen
Bundesanleihen - Triple-A-geratet - und entsprechenden italienischen
Papieren - die noch zwei Stufen über Ramsch eingestuft werden - ist
zum Wochenschluss zeitweise auf 338 Basispunkte gestiegen. Das ist
der höchste Stand seit März 2013.
Ende der neuen Woche wird S&P Global Ratings neu darüber
entscheiden, wie Italien bonitätsmäßig bewertet wird. Eine Mehrheit
der Marktakteure geht von einer Senkung des Ausblicks aus. Moody's
und Fitch haben ihren Ausblick bereits auf "negativ" gesenkt.
Längerfristig wird befürchtet, dass die italienischen Staatspapiere
dann ihre anlagewürdige Einstufung verlieren könnten. Die Folge wäre
ein enormer Verkaufsdruck, da viele institutionelle Investoren dann
gezwungen wären, die Buoni del tesoro poliennali aus dem Portfolio zu
nehmen.
In der kommenden Woche wird aber auch die Europäische Zentralbank
(EZB) wieder ihre Zinssitzung abhalten. Spekuliert wird, ob die
gestiegene Inflationsrate die Währungshüter dazu bewegen könnte, sich
etwas "hawkisher" zu äußern oder mehr Details zur Normalisierung der
Geldpolitik zu geben, etwa, ob auslaufende Anleihen reinvestiert
werden.
Eine straffere europäische Geldpolitik ist wegen der zahlreichen
Risikofaktoren für die Konjunkturentwicklung - der Handelsstreit ist
nur einer davon - jedoch unwahrscheinlich. Darüber hinaus hat das
Thema Italien hohe Qualität, zu einer sich selbst erfüllenden
Prophezeiung an den Märkten zu werden.
Wer auf steigende italienische Renditen wettet, hat derzeit eine
Reihe schwer widerlegbarer Argumente zur Hand. Da ist die steigende
Wahrscheinlichkeit, dass es nach einer außergewöhnlich langen Phase
des Wachstums zu einer Abkühlung der Konjunktur kommt. Dies würde
auch das Wachstum Italiens begrenzen. Das Land leidet ohnehin bereits
unter einem niedrigen Potenzialwachstum. Dadurch besteht die Gefahr,
dass der Primärüberschuss, den Italien in den vergangenen Jahren
stets erzielen konnte, ins Negative dreht. Der Haushaltssaldo wäre
dann noch tiefer im Minus als geplant, der Schuldendienst noch
belastender.
Andererseits könnte Italien am Markt Probleme bekommen. Das
Auslaufen des EZB-Anleihekaufprogramms dürfte die Finanzierungskosten
tendenziell ohnehin etwas erhöhen. Die Gretchenfrage ist, welche
Risikoprämie der Markt bald von Italien verlangt. Laut UBS sind die
italienischen Staatstitel so gepreist, als wären sie Ramsch. Doch
neigen Märkte zum Überschießen. Sollten tatsächlich in großem Stil
Investoren (auch Banken) italienische Anleihen abstoßen, stiegen die
Rendite weiter, obwohl dies durch die - nachlaufende -
Ratingentwicklung nicht gedeckt ist. Ein anderes Risiko wäre ein
"Käuferstreik", ein Szenario, das etwa die DekaBank für möglich hält,
sollte Italien sein Investment-Grade-Rating verlieren.
Weil viele italienische Investoren große BTP-Bestände halten,
würde ein Einbruch der Kurse zu einem nationalen Teufelskreis führen,
der aber das Potenzial hat, sich über den Bankensektor als
Ansteckungskanal auf ganz Europa auszudehnen. Nach wie vor leiden
italienische, aber auch viele andere europäische Banken unter
schwacher Profitabilität. Da bleibt wenig Spielraum für Probleme.
Dass sich am Freitag der Chef von Ubi Banca bemüßigt sah zu sagen,
sein Institut habe in den Stresstests der europäischen Bankenaufsicht
EBA nie schlecht abgeschnitten und werde damit nun auch "nicht
beginnen", spiegelt die Nervosität, die in Italiens Finanzsektor
herrscht. Laut der Ratingagentur Fitch dürften italienische Banken
durch die ausgeweiteten Anleihespreads wahrscheinlich bedeutsame
Kapitaleinbußen erlitten haben. Der Banken-Sektorindex ist auf den
niedrigsten Stand seit 2016 abgerutscht.
Unter solchen Vorzeichen ist es gut möglich, dass die EZB ihre
erste Zinserhöhung seit 2011 hinauszögert. Die Notenbank hat bisher
stets erklärt, sie halte die Zinsen bis "mindestens über den Sommer
2019" auf Rekordtief. Laut Reuters wird eine Leitzinsanhebung am
Markt nun erst im Oktober 2019 statt im September 2019 erwartet.
Das "mindestens" könnte auch deswegen mehr Gewicht erhalten, weil
in der abgelaufenen Woche erstmals deutlich anziehende Renditen in
spanischen und portugiesischen Staatspapieren zu sehen waren. Die
Ansteckungsgefahr, die von Italien ausgeht, ist real. Dies dürfte
auch mit ein Grund dafür sein, dass europäische Aktien nun unter
ihrem fairen Wert notieren - wie die Deutsche Bank errechnet hat.
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