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Börsen-Zeitung: Ende einer Ära / Kommentar von Angela Wefers zur Aufgabe des CDU-Bundesvorsitzes durch Bundeskanzlerin Merkel

Geschrieben am 29-10-2018

Frankfurt (ots) - Angela Merkel ist stets für Überraschungen gut.
Mit ihrem angekündigten Rückzug von der Macht gelingt der
CDU-Parteivorsitzenden und Kanzlerin ein Schritt wie keinem ihrer
Vorgänger. Sie verloren Wahlen oder wurden aus ihren Ämtern gedrängt.
Freiwillig trat niemand ab. Merkel nimmt nun das Heft des Handelns
selbst in die Hand und kündigt den geordneten Rückzug an - mit dem
Verzicht auf eine neue Kandidatur für den CDU-Vorsitz beim
Bundesparteitag Anfang Dezember. Zum Ende der Legislaturperiode
endet auch Merkels politisches Leben. Sie will nicht erneut antreten:
weder für das Kanzleramt noch den Bundestag, noch für andere
politische Ämter. Der Druck auf die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin
war gleichwohl groß. Die Unruhe durch die Flüchtlingskrise 2015 wird
ihr angelastet, als die staatliche Verwaltung vor der großen Zahl
der Einwanderer kapitulierte. Vor allem aber ist im 14. Jahr der
Kanzlerschaft der Zenit ihrer Macht überschritten. "Merkel muss weg",
scholl es ihr im Wahlkampf 2017 meist in den neuen Bundesländern
entgegen. In der CDU haben dies viele gedacht - und jüngst bei der
Wahl des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch zum
Ausdruck gebracht. Merkel-Vertrauter Volker Kauder unterlag einem,
der sich traute, aus der Deckung zu gehen: Ralph Brinkhaus.

In ihrer vierten Amtsperiode als Kanzlerin hatte Merkel bisher
wenig Fortune. Die Regierungsbildung Ende 2017 zu einer
Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP wollte nicht gelingen. Die
erbitterte Auseinandersetzung in der Union mit CSU-Chef Horst
Seehofer lähmte sie ebenso wie der Streit mit der SPD über die
Causa Maaßen. Schon bei den Koalitionsverhandlungen im Frühjahr
sicherten sich SPD und CSU zentrale Ressorts - Außenamt und
Finanzministerium sowie Inneres, erweitert um Bau. Dies sorgte für
Unmut in den CDU-Reihen.

Auch der Zustand der großen Koalition im Bund ist inakzeptabel.
Das haben die Beteiligten selbst erkannt. Wähler wollen gut regiert
werden und keinen kindischen Machtkämpfen zuschauen. Dies haben sie
in zwei Landtagswahlen in Bayern und Hessen deutlich gezeigt, indem
sie - mit Blick auf die Zustände in Berlin - beiden Volksparteien
ihre Stimmen entzogen. Wähler wünschen sich inhaltliche Arbeit,
wählen aber aus dem Bauch denjenigen, dem sie die größte
Lösungskompetenz zutrauen. Nur so ist es zu erklären, dass die von
Merkel in der Flüchtlingskrise in Richtung Toleranz und Weltoffenheit
in die Mitte gerückte CDU Stimmen an die Grünen verliert, die für
ebendiese Positionen vermehrt gewählt werden.

Dass die Ära Merkel sich dem Ende zuneigt, war offenkundig. Nur
wie sie enden wird, blieb bislang offen. Merkel selbst gibt nun
die Richtung vor. Es wird ein Ausstieg auf Raten. Sie, die stets für
die Einheit von Parteispitzenamt und Kanzlerschaft plädierte, gibt
das eine frei, weil das andere folgen wird. Wie schnell Merkel das
Kanzleramt verlässt, hängt entscheidend davon ab, wer den
Parteivorsitz in der CDU übernimmt. Viel spricht dafür, dass dies
noch in der laufenden Legislaturperiode geschehen wird. Der oder die
Nachfolger(in) kann den Amtsbonus für die nächste Bundestagswahl
nutzen. Merkel selbst ist dies bewusst. Sie spricht nur von der
Bereitschaft, das Amt bis zum Ende der Legislaturperiode auszufüllen.

Die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und
Gesundheitsminister Jens Spahn haben bereits ihren Hut für den
Parteivorsitz in den Ring geworfen. Kramp-Karrenbauer gilt als
Kronprinzessin Merkels. Sie steht für die Fortsetzung des offenen
Kurses der Merkel-CDU. Ihre Arbeit an einem neuen Grundsatzprogramm
zielt darauf, die Soziale Marktwirtschaft zu stärken. Offen ist, was
sich hinter diesem Titel verbirgt. Auch Bundeswirtschaftsminister
Peter Altmaier von der CDU verkauft etwa eine stärkere staatliche
Investitionskontrolle als marktwirtschaftlich.

Spahn und der ebenfalls als Kandidat gehandelte Friedrich Merz
stehen für einen konservativeren Kurs. Sie stecken in der
Nordrhein-Westfalen-Falle. Dort ist noch nicht entschieden, wer die
Truppen dieses großen Landesverbandes hinter sich sammeln kann.
Womöglich will Landeschef Armin Laschet selbst antreten. Merkels
Ausscheiden aus dem Kanzleramt dürfte sich mit einem CDU-Vorsitzenden
Merz beschleunigen, der sicher mehr will, als nur den Übergang zu
regeln. Mit Kramp-Karrenbauer ist dagegen eine friedliche Koexistenz
zu erwarten. Fehlt noch der Blick auf den Koalitionspartner SPD:
Neuwahlen wollen die Sozialdemokraten nach den schlechten
Wahlergebnissen vorerst nicht riskieren. Dies eint sie mit der Union.

(Börsen-Zeitung, 30.10.2018)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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