Mittelbayerische Zeitung: Klare Kante gegen Hetze/Eine Kabarettistin bekommt eine Morddrohung. Die öffentliche Debatte über Politik wird strafbar radikal. Das bringt unsere Meinungsfreiheit in Gefahr.
Geschrieben am 01-11-2018 |
Regensburg (ots) - Dass Menschen, die sich kritisch zu Politik
äußern, in grenzwertiger Weise beschimpft werden, ist mittlerweile
leider Alltag. Aber dass eine Kabarettistin eine Morddrohung bekommt,
bedeutet eine relativ neue Qualität im Streiten über Politik - ein
Alarmsignal. Denn wie Gewalt in Worten zu Gewalt in Taten wird, lässt
sich gerade in den USA beobachten, wo ein fanatisierter Anhänger von
Donald Trump Gegnern des US-Präsidenten Briefbomben schickte. Da
hilft nur: klare Kante gegen Hetze und gegen Angriffe auf die
Meinungsfreiheit. Und zwar egal, aus welcher Ecke sie kommen. Roland
Hefter und die Initiative "Künstler mit Herz" haben mit ihrem
Anti-AfD-Song einen Nerv getroffen. Das Video, in dem ein bunter Zug
unter dem Titel "Mia ned!" gegen die AfD Stellung bezieht,
entwickelte sich zum viralen Hit, erhielt Millionen Klicks und Likes.
Das Echo von der anderen Seite fiel ebenfalls kräftig aus:
"Drecksbayer stinkender" und andere üble Worte wurden gepostet.
Massiver ging es gegen Lizzy Aumeier zur Sache. Die Oberpfälzer
Kabarettistin hatte sich die AfD-Frontfrau im Bundestag vorgeknöpft:
"Alice Weidel lebt in der Schweiz in einer homosexuellen Beziehung
und hier in Deutschland ist sie Fraktionsvorsitzende der AfD und
gegen Schwule und Lesben. Wie hirnamputiert ist denn das?" Nun muss
man den Beitrag nicht geistreich finden und den Verweis auf Alice
Weidels sexuelle Orientierung nicht schlüssig. Worum es aber geht:
Nach dem ARD-Auftritt drohte ein Facebook-User der Kabarettistin:
"Wenn wir wieder an der Macht sind, werden Leute wie du vergast."
Roland Hefter und Lizzy Aumeier sind zwei Beispiele, die zeigen: Die
Debatte wird strafbar radikal. Die Gesellschaft hält konträre
Anschauungen nicht aus. Das bringt unsere Meinungsfreiheit in Gefahr.
Die Morddrohung markiert einen Exzess. Aber schon weit unterhalb
dieser Schwelle sinkt die Bereitschaft, gegensätzliche Haltungen zu
ertragen. Eine Ursache: Immer mehr Menschen kuscheln in Filterblasen,
immer weniger wollen Standpunkte, die ihnen selbst fremd sind, hören
oder gar bedenken, und immer öfter sind sie dazu auch gar nicht mehr
in der Lage. Das Aufmerksamkeitsdefizit steigt. Die sogenannten
sozialen Netzwerke ticken im hysterischen Takt. Der Druck, immer und
sofort eine Meinung haben zu müssen, nimmt zu. Der Wunsch, in einer
disparaten Gesellschaft zu einer Gruppe zu gehören, wächst. Ich bin
dafür, ich bin dagegen, ich bin einer von euch: Für mehr reicht es
meistens nicht. Das ist rechts allerdings nicht anders als links. Wer
Angela Merkels Umgang mit der Flüchtlingsfrage kritisiert, wird als
Nazi verschlagwortet, wer Horst Seehofers Kurs vernünftig findet,
muss doof sein, und ein Gastwirt, der die AfD in seinen Räumen tagen
lässt, darf - wie 2015, in Regensburg - mit einer Drohung der linken
Antifa rechnen: Er könne sich ja mal die Folgen seines Handelns
überlegen... In der überhitzten, von Gefühlen gelenkten Debatte hilft
es, sich kühl die Gesetze anzuschauen. Die rote Linie verläuft da, wo
eine Meinung zum Angriff wird. Wer verleumdet, beleidigt, hetzt,
droht oder zu Straftaten aufruft, macht sich strafbar. Wer diese
Linien übertritt, muss die Konsequenzen spüren. Wer sie beachtet,
muss frei sagen dürfen, was er denkt. Wir halten uns für Demokraten.
Aber nur jeder Zweite findet: "Man sollte immer auch Meinungen
tolerieren, denen man eigentlich nicht zustimmen kann." Am
einfachsten wäre es, wir hätten eine oberste Instanz, die sagt: Du
hast Recht und alle anderen sind gefährliche Dummköpfe, die man zum
Schweigen bringen muss. Solche Instanzen findet man - in Diktaturen.
Was man dort nicht finden wird: Meinungsfreiheit.
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