Börsen-Zeitung: Das 100-Milliarden-Loch,
Kommentar zum Bankenverband von Bernd Wittkowski
Geschrieben am 05-11-2018 |
Frankfurt (ots) - Der hanseatische Kaufmann zeichnet sich neben
Ehrbarkeit im Handeln, Anstand, Verlässlichkeit und sozialer
Verantwortung als Basis nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolges sowie
Weltoffenheit nicht zuletzt durch Verschwiegenheit aus. Zu den
herausragenden Tugenden eines Verbandspräsidenten wiederum gehört es,
die Hohe Schule der Diplomatie zu beherrschen. Hans-Walter Peters,
Chef und Mitinhaber der Hamburger Traditionsbank Berenberg, ist,
wiewohl nicht in Hamburg geboren, zweifellos eine Inkarnation des
hanseatischen Kaufmanns. Und er ist Präsident des Bankenverbandes.
Doch am Montag hat er Diskretion und Diplomatie zu Hause gelassen und
mal kurz in einem kontrollierten Ausbruch die Contenance verloren.
Gut gebrüllt! Peters wirft der EZB "geldpolitische Exzesse" vor
und zerpflückt regelrecht ihre Argumentation und den "Anachronismus"
der Negativzinsen eingedenk von Teuerungsraten mit einer 2 vor dem
Komma und einer seit 22 Quartalen ununterbrochen wachsenden
Euro-Wirtschaft. Zudem konstatiert er, die italienische Regierung
setze sich "unverfroren über europäische Regeln hinweg" und
missbrauche das Vertrauen der Partner.
Solche Fakten zur Kenntnis zu nehmen und sich maßlos darüber zu
ärgern, sind das eine. Sie coram publico anzuprangern, ist etwas
anderes. Man hat aus diesem Spitzenamt im privaten Bankenlager - von
den Verbandsspitzen der Sparkassen und der Kreditgenossen schon eher
- so erfreulich klare Worte zu diesen Themen lange nicht gehört.
Warum Peters gegen die EZB vom Leder zieht, ist leicht zu
verstehen: Die Auswirkungen von Niedrig-, Null- und Negativzinsen auf
die Erfolgsrechnungen der Banken überschreiten längst die
Schmerzschwelle. Seit 2014, so rechnet der Bankenpräsident vor, haben
die Institute im Euroraum fast 20 Mrd. Euro an negativen
Einlagezinsen an die EZB gezahlt. Die US-Notenbank wird derweil von
2014 bis Ende dieses Jahres umgerechnet 80 Mrd. Euro an positiven
Zinsen an die amerikanischen Geschäftsbanken vergütet haben. Dieses
100-Mrd.-Euro-Loch erklärt nicht alles, aber sehr vieles, wenn
Vergleiche etwa von Erträgen und Börsenwerten der Banken dies- und
jenseits des Atlantiks angestellt werden. Und die
"verantwortungslose" Politik Italiens droht nun die Bankensysteme
auch in europäischen Nachbarländern weiter zu schwächen.
Wenn dann noch von europäischen Aufsehern eine mangelnde
Profitabilität hiesiger Banken kritisiert wird, darf Betroffenen und
ihren Interessenvertretern schon mal die Hutschnur reißen. Hanseat
hin, Präsident her.
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Telefon: 069--2732-0
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