Mittelbayerische Zeitung: Die EU als Sündenbock
Von Daniela Weingärtner
Geschrieben am 14-11-2018 |
Regensburg (ots) - Politiker sprechen ja gern von
Win-Win-Situationen. Die derzeitige Beziehung zwischen der Brüsseler
EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten ist genau das Gegenteil: Egal,
welchen Kurs die Hüter der Verträge einschlagen, ob sie auf den einst
verabredeten strengen Regeln bestehen oder sich nachgiebig zeigen:
Europa wird das Nachsehen haben. Als Angela Merkel am Dienstag im
Plenum des Europaparlaments in Straßburg sprach, konnte man eine
Ahnung davon bekommen, wie es in diesem Haus nach der nächsten
Europawahl zugehen könnte. Ihr Bekenntnis zu einem starken Europa,
ihre Forderung nach einer gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik
gingen im Buhgebrüll der Eurospektiker und Ultrarechten fast unter.
Wenn die traditionellen Parteien weiter verlieren, der Unmut sich in
Stimmengewinnen für antieuropäische Kräfte niederschlägt, dann wird
das Europäische Parlament proeuropäische Mehrheiten künftig nur noch
mit Mühe zustande bringen. Manfred Weber, Chef der konservativen
Fraktion und Bewerber um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten,
appellierte in der Debatte mit Merkel erneut an die Regierungschefs,
Brüssel nicht zum Sündenbock für eigenes Versagen zu machen. Der
amtsmüde aktuelle Inhaber des Postens, den Weber anstrebt, kann ihm
darüber berichten, wie vergeblich dieses Flehen ist. In Jean-Claude
Junckers Amtszeit hat das Nachtreten Richtung EU ungekannte Ausmaße
angenommen. Ob es Victor Orban ist, der auf riesigen Plakatwänden in
Budapest gegen das Diktat aus Brüssel wettert oder Matteo Salvini,
der den Budgetwächtern ganz ungeniert den Stinkefinger zeigt - eine
weise Antwort auf derartige Provokationen gibt es nicht. Droht
Brüssel Ungarn mit Artikel sieben, also einer vorübergehenden
Aussetzung der Stimmrechte, ist sofort Polen zur Stelle, das
ebenfalls in der Kritik steht. Er werde jeden Vorstoß in diese
Richtung mit seinem Veto blockieren, hat Premierminister Mateusz
Morawiecki schon angekündigt. Zum italienischen Budget will die
Kommission erneut am 21. November Stellung nehmen. Schon jetzt
reagieren die Kreditgeber auf die unsichere Haushaltslage mit höheren
Zinsforderungen. Experten sind sich einig, dass Rom seine
Wachstumsprognose nicht halten kann. Natürlich hat die dortige
Regierung den Schuldigen für diese missliche Entwicklung schon
ausgemacht: Es ist die EU-Kommission, die mit ihrer Kritik am
italienischen Haushalt die Kreditwürdigkeit des Landes in Zweifel
zieht. Auch bei den Brexitverhandlungen steckt EU-Chefunterhändler
Michel Barnier in einer ungemütlichen Zwickmühle. Zeigt die EU Härte,
ist das für Euroskeptiker ein weiterer Beleg dafür, dass die
unabhängigen Geister in London für ihr Streben nach nationaler
Selbstbestimmung bestraft werden sollen. Lässt sie sich hingegen auf
großzügige Sonderregeln ein, schafft das einen Präzedenzfall und
ermutigt mögliche Nachahmer. Viele Osteuropäer werden sich dann
fragen, warum sie das verhasste Diktat aus Brüssel weiter akzeptieren
sollen, wenn sie nach einem Austritt weiter von den wirtschaftlichen
Vorteilen enger EU-Kooperation profitieren können, ohne die
entsprechenden Auflagen und Vorschriften erfüllen zu müssen.
Keinesfalls aber darf Brüssel aus Angst vor derartigem populistischen
Geschrei klein beigeben. Frustrierte Wähler, die sich von Europa
abgewandt haben, bringt das nicht zurück. Es vergrätzt vielmehr all
diejenigen, die weiterhin daran glauben, dass eine wertebasierte
Gemeinschaft mit gemeinsamen Regeln oberhalb der nationalen Ebene
gebraucht wird - auch wenn sich diese Europäische Union vielleicht in
einem schmerzhaften Prozess gesundschrumpfen muss, um wieder
handlungsfähig zu sein.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
662932
weitere Artikel:
- Rheinische Post: Kommentar: Spahns Offensive Düsseldorf (ots) - Jens Spahn ist nicht der Typ, der schnell
aufgibt. Angesichts der geringen Chancen, die ihm im Rennen um den
CDU-Vorsitz eingeräumt werden, hat er dem bisher artig ausgetragenen
politischen Wettbewerb um den Parteivorsitz eine Schärfe gegeben, die
ins Persönliche geht. Er hält seinen Lebensentwurf als verheirateter
Homosexueller der Homo-Ehen-Gegnerin und Konkurrentin
Kramp-Karrenbauer entgegen. Bei diesem Thema weiß er die Mehrheit der
Bevölkerung auf seiner Seite. Zu Recht findet ein Großteil der
Bürger, dass mehr...
- Rheinische Post: Kommentar: Klarer Brexit ist wichtig Düsseldorf (ots) - Aus Sicht aller Brexit-Beteiligten wäre ein
ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der EU die schlimmste aller
Lösungen, ob es nun um Reisende geht oder um Unternehmen, die
angewiesen sind auf reibungslos funktionierende Lieferketten. Aber
auch für das künftige Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU
wäre eine einvernehmliche Scheidung von unschätzbarem Vorteil. Die
Atmosphäre, in der die Trennungsverhandlungen ablaufen, ist
mitentscheidend dafür, wie gut oder schlecht London und Brüssel auf
lange Sicht mehr...
- Rheinische Post: Kommentar: Erschreckende Dimension Düsseldorf (ots) - Das Ausmaß der Clankriminalität in
Nordrhein-Westfalen ist erschreckend. Nicht nur, dass die
Großfamilien über Tausende Mitglieder verfügen und sich über das
ganze Land bis hinein in ländliche Kreise verteilen. Sie sind
offenbar auch in so ziemlich jedem Geschäftsfeld vertreten, mit dem
sich Geld verdienen lässt - ob legal oder illegal. Im Kfz-Handel und
-Verleih, auch in Schlüsseldiensten sind sie aktiv. Und wer weiß, in
welch anderen Bereichen abseits der üblichen kriminellen
Betätigungsfelder wie Drogenhandel mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielfeld) zum CDU-Vorsitz Bielefeld (ots) - Jens Spahn konnte nicht anders. Im Rennen um den
CDU-Vorsitz muss der Bundesgesundheitsminister an Boden gewinnen,
sonst geht er beim Bundesparteitag in Hamburg am 7. Dezember
chancenlos in die Abstimmung. Derzeit deutet vieles auf einen
Zweikampf zwischen Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer hin.
Und wenig spricht dafür, dass sich daran etwas ändert. Spahn muss
also angreifen, wenn er den Trend drehen und es in die Stichwahl
schaffen will. Aus seinen Worten klingt Enttäuschung. Der
Münsterländer ist enttäuscht mehr...
- Badische Zeitung: Weidel demontiert sich selbst / Kommentar von Thomas Steiner Freiburg (ots) - [...] Eine Fraktionsvorsitzende, die so handelt
und die das zu verheimlichen versucht, demontiert sich selbst. Hinzu
kommt, dass Weidel das Geld wohl nicht für Plakate und Broschüren
ausgegeben hat. Einen Anwalt zu bezahlen, der gegen Journalisten
vorgehen soll, und einen Mitarbeiter, der ihr Zustimmung in den
sozialen Netzwerken erkauft, auch das spricht nicht von hohen
moralischen und politischen Maßstäben. Weidel tritt im Bundestag
aggressiv und selbstgerecht auf, einmal hat sie die Regierung als
Idioten bezeichnet. mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|