Mittelbayerische Zeitung: Abgerechnet wird zum Schluss. Der Verkauf des Nibelungenkasernenareals wird im Regensburger Korruptionsprozess beleuchtet. Von Christine Strasser
Geschrieben am 21-11-2018 |
Regensburg (ots) - Wie hoch Abschlussrechnungen ausfallen können,
davon haben die Beobachter im Regensburger Korruptionsprozess schon
eine Ahnung bekommen. Unter dem Strich können Millionenbeträge
stehenbleiben, wenn ein Bauträger nach einem erfolgreichen Projekt
die Gewinne verteilt. Genauso gut können, nachdem ein Wahlkampf
längst abgeschlossen und der neue Oberbürgermeister bereits im Amt
ist, noch Rechnungen offen sein. Und mit Spenden von Bauträgern
rechnen offensichtlich viele Kommunalpolitiker in Regensburg, wenn
sie um Unterstützung werben. Das sind nur drei Aspekte des an
Facetten reichen Verfahrens, in dessen Zentrum der suspendierte
Regensburger OB Joachim Wolbergs steht. Vor der
Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts geht es um die Frage, ob
Vorteile gewährt und angenommen wurden. Wer Antworten sucht, muss vor
allem eines tun: Der Spur des Geldes folgen. Geld ist auch das, was
viele Menschen umtreibt, die in Regensburg eine bezahlbare Wohnung
suchen. Mieten und Immobilienpreise steigen seit Jahren. Der
Quadratmeter Neubau kostet inzwischen im Durchschnitt knapp 4950
Euro. Die Durchschnittsmieten im Neubau liegen in der Stadt bei 11,50
Euro pro Quadratmeter. Schon Normalverdiener können sich viele
Wohnungen nicht mehr leisten. Für alle mit weniger Geld -
Alleinerziehende, Arbeitslose oder Familien mit Kindern - mündet die
Wohnungssuche sehr oft in schierer Verzweiflung. Wer vor diesem
Hintergrund nun durch den Prozess von den enormen Gewinnen eines
Bauträgers hört, dem springt schnell die Zornesröte ins Gesicht.
Unterschwellig schwingt in Sitzungssaal 104 eine Frage jenseits des
Strafrechts mit. Sie lautet: Wem gehört die Stadt? Friseuren und
Verkäufern eher nicht. Sie können sich die Regensburger Innenstadt,
in der sie arbeiten, kaum leisten. Der springende Punkt bleibt also
irgendwie der gleiche: Es geht ums Geld. Denn wer bauen will, braucht
Kapital. Viel Kapital. Finanziert und gebaut werden Wohnungen in
Regensburg wie in vielen anderen Großstädten meistens von Bauträgern
und Projektentwicklern. Sie kaufen ein Grundstück, verhandeln die
Dichte und Höhe der Bebauung sowie die Nutzungen und lassen sich die
Pläne genehmigen. Sie tragen das Entwicklerrisiko. Das muss
selbstverständlich eingepreist werden. Gute Gewinne beim
Wohnungsverkauf sind ebenfalls nicht verwerflich, zumal wenn die
Kunden mit ihren neuen vier Wänden glücklich sind. Aber inzwischen
steuert der Immobilienmarkt auf einen Punkt zu, bei dem es für viele
Menschen um die Existenz geht, weil sie sich die Mieten nicht mehr
bezahlen können. Auf der Schlussrechnung einer seit Jahren, wenn
nicht Jahrzehnten verfehlten Wohnungsbaupolitik steht: Es gibt
erheblich mehr Bewerber für Sozialwohnungen als Wohnraum. Das ist die
Kehrseite einer prosperierenden Stadt wie Regensburg mit vielen
Arbeitsplätzen. Wenn der Prozess ab der nächsten Woche mit dem
Komplex Nibelungenkasernenareal ein neues Kapitel aufschlägt, wird
unter anderem darüber gestritten werden, was der richtige Weg war und
ist, um günstig sozialen Wohnraum zu schaffen. Denn eine sozialere
Ausrichtung war ja das Ziel der zweiten Ausschreibung für den Verkauf
des Baugrundes. Das Gericht ist allerdings nicht dafür zuständig, die
Wohnungsbaupolitik in Regensburg insgesamt zu beurteilen, so sehr die
auch öffentlich in der Kritik stehen mag. Die Wirtschaftsstrafkammer
wird der Frage nachgehen, ob es zu einer rechtswidrigen Absprache
beim Verkauf des Nibelungenkasernenareals kam. Wie hoch die Rechnung
für diesen Verkauf für die Angeklagten ausfällt, muss sich zeigen.
Feststehen wird es erst, wenn das Urteil gesprochen ist - am Ende des
Prozesses.
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Mittelbayerische Zeitung
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Telefon: +49 941 / 207 6023
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