BERLINER MORGENPOST: Ein tragischer Verlust - Christian Kerl zum Ergebnis des Brexit-Sondergipfels
Geschrieben am 25-11-2018 |
Berlin (ots) - Es gab nichts zu feiern beim Brexit-Sondergipfel.
Die Scheidung von den Briten ist für das vereinte Europa ein
schlimmer, tragischer Verlust - politisch, wirtschaftlich, kulturell.
Der Austritt Großbritanniens hat ökonomisch dieselbe Wucht, als wenn
die 19 kleinsten der 28 EU-Staaten gleichzeitig den Klub verlassen
würden. Aber es ist wie im richtigen Leben: Der Trennungsschmerz
kommt später - erst mal können die EU-Unterhändler ihren Triumph über
einen guten Scheidungsdeal nur noch mühsam verbergen.
Keine Frage: Die Briten sind der große Verlierer des
Brexit-Pokers. Großbritannien wird anders als behauptet nicht so
schnell die Kontrolle und Souveränität von der Europäischen Union
zurückerhalten - die Mitspracherechte in Brüssel aber sind sofort
weg. Die Brexit-Befürworter haben den Briten vorgegaukelt, man könne
die Vorteile des Binnenmarktes genießen, dabei aber völlig unabhängig
von der Europäischen Union sein. Dieses Versprechen löst der Deal
nicht ein. Erst hatten die Brexiteers keinen Plan. Dann hatte
Premierministerin Theresa May lange keinen Mut, die Luftschlösser der
Austrittspropagandisten einzureißen. Und schließlich hat May
vergeblich gehofft, sie könne die EU der 27 spalten.
In Brüssel saßen die besseren Verhandler. Sie zeigten sich
allerdings härter als nötig, was jetzt zwar den Erfolg erklärt, aber
doch auch die künftige Partnerschaft belasten könnte. Die
EU-Mitgliedsländer haben nach dem ersten Schock schnell ihre
Interessen definiert und daraus eine klare Strategie mit roten Linien
abgeleitet. Und sie blieben geschlossen.
Drinnen ist schöner als draußen: Das wollte die Union unbedingt
beweisen, sich selbst und den Briten. So ließen sie May gegen die
Wand laufen. Nun ändert sich für Jahre trotz Brexits erst mal nichts.
Das Vereinigte Königreich bleibt eng an die Europäische Union und
ihre Regeln gebunden, muss weiter Milliarden nach Brüssel überweisen,
hat aber nichts mehr zu sagen. Und auch mit einem dauerhaften
Handelsvertrag könnte das Land später viel stärker den EU-Standards
unterworfen sein, als Austrittsfreunde sich jemals vorgestellt haben.
Gut möglich, dass der Brexit-Deal deshalb bei der Abstimmung im
britischen Parlament noch scheitert.
Aber auch die Kritiker müssen wissen: Einen anderen
Austrittsvertrag wird es nicht mehr geben. Die Risiken vor Augen
dürfte am Ende doch eine Mehrheit der Abgeordneten zähneknirschend
zustimmen. Und dann? Geht der Streit nach dem Austritt in die nächste
Runde. Die Verhandlungen über einen Handelsvertrag und andere
Abkommen werden mindestens so hart wie der Kampf um den Brexit-Deal.
Sie werden Jahre dauern. Konflikte wurden nur vertagt. Die Briten
haben trotz mancher Fesseln also noch viele Gelegenheiten, Revanche
zu suchen. Die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten
werden, wenn es um die künftigen Beziehungen geht, bald aufbrechen.
Andererseits hat sich die Union im Austrittsdeal ein Druckmittel
gesichert: Wird keine Lösung für die innerirische Grenze gefunden,
bleibt Großbritannien in einer Zollunion mit der EU - weitgehend mit
Brüsseler Standards.
Für Brexit-Hardliner wäre dies die Kapitulation. Schon kursieren
in London Dolchstoßlegenden. Das Land ist tief gespalten. All das ist
Gift für jene freundschaftliche, vertrauensvolle Beziehung, die beide
Seiten nach der Scheidung offiziell anstreben. Nein, es gibt keinen
Grund zu feiern. Das Brexit-Abkommen steht. Das Brexit-Drama aber
geht weiter.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de
Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
664441
weitere Artikel:
- Neue Westfälische (Bielefeld): US-Präsident Trump ignoriert Klima-Prognosen
Tödliche Folgen
Dirk Hautkapp, Washington Bielefeld (ots) - Donald Trump hat die jüngste Hiobsbotschaft der
Klimaforschung nicht unterdrückt. Aber er hat alles dafür getan, dass
der von der amerikanischen Wissenschafts-Elite gefertigte Ausblick
auf die bei Nichtstun unvermeidbaren Verheerungen der
fortschreitenden Erderwärmung im Feiertagsloch nach "Thanksgiving"
nicht die Aufmerksamkeit erfahren konnte, die ihm gebührt. Allein
diese Petitesse zeigt, dass Amerikas 45. Präsident der globalen
Herausforderung dieser Zeit nicht gewachsen ist. Trump verfährt nach
der Devise, mehr...
- Mittelbayerische Zeitung: Das Kalkül der Populisten / Natürlich handelt die Regierung in Rom unverantwortlich. Dennoch sollte die EU im Haushaltsstreit einlenken. Von Julius Müller-Meiningen Regensburg (ots) - Man kennt die Situation aus Familien. Die
Kinder gehorchen nicht. Die Eltern haben die Wahl, ein Auge zu zu
drücken oder den Kindern die eigenen Vorstellungen mit Autorität und
Strafen aufzwingen zu wollen. Auch die EU trägt Züge einer Familie,
die es gerade mit einem besonders widerspenstigen Heranwachsenden zu
tun hat. Wie ein pubertierender Rebell beharrt die italienische
Regierung in Rom auf ihren expansiven Haushaltsplänen. Wie könnte
unter diesen widrigen Umständen eine verantwortungsvolle Politik der
Erziehungsberechtigten, mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): EU nimmt Brexit an
Kleiner Hoffnungsschimmer Carsten Heil Bielefeld (ots) - Die europäischen Staats- und Regierungschefs
haben für die EU entschieden: Der Brexit-Vertrag wird gebilligt. Das
ist zum Heulen. Jedenfalls wenn Weinen eine Kategorie des politischen
Geschäftes wäre. Dass Großbritannien die Europäische Union verlässt,
ist und bleibt nicht nur traurig, sondern ist ein politischer,
menschlicher und wirtschaftlicher Fehler für beide Seiten. Er zeigt,
dass Volksbefragungen nicht immer so ausgehen, dass es zum Besten des
Volkes ist. Verantwortungslose Lügner vom Schlage eines Boris Johnson mehr...
- Rheinische Post: Kommentar: Irrtum der Geschichte Düsseldorf (ots) - An dem Tag, an dem die Staats- und
Regierungschefs das Ende der EU der 28 besiegeln, passt die Stimmung
zu den Ereignissen. Es wird nicht mehr debattiert, es wird nur noch
das Unvermeidliche vollzogen. Und kein einziger der anwesenden
führenden Politiker Europas kann zufrieden sein mit diesem Schritt.
Alle wissen: Es wird keine Gewinner geben. Immer deutlicher wird,
dass die Brexit-Entscheidung als Panne des demokratischen
Meinungsbildungsprozesses in die Geschichtsbücher eingehen wird.
Heute, da sich die Folgen mehr...
- Rheinische Post: Kommentar: Migration ist und bleibt Top-Thema Düsseldorf (ots) - In der CDU ist der Kampf um die Deutungshoheit
ausgebrochen, wie man frustrierte Ex-CDU-Wähler von der AfD
zurückholt. Gut so. Niemand muss sich damit abfinden, dass die AfD
zweistellige Ergebnisse erzielt und in allen Landesparlamenten sitzt.
Alle drei Kandidaten für den Vorsitz halten deshalb eine gewisse
inhaltliche Härte in der Zuwanderungspolitik für unabdingbar. Von
einer lebenslangen Einreisesperre für straffällig gewordene
Asylbewerber (Kramp-Karrenbauer) über Zweifel am UN-Migrationspakt
(Spahn) bis zur mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|