Allg. Zeitung Mainz: Zerstörerisch / Kommentar von Reinhard Breidenbach zu Frankreich
Geschrieben am 02-12-2018 |
Mainz (ots) - Frankreich ist unglaublich stolz auf sein
revolutionäres Erbe. Etwa, wenn ein Franzose in einem vornehmen
Kaufhaus die Forderung ablehnt, drei Euro für das Benutzen der
Toilette zu zahlen: "Dafür haben wir nicht 1789 die Bastille
gestürmt." Manchmal ist dieser revolutionäre Geist sympathisch und
motivierend. Aber manchmal, so wie jetzt bei den "Gelben Westen", ist
er erschreckend, illegal, destruktiv, brandgefährlich. Es gibt nicht
wenige militante, anarchistische Kräfte in Frankreich, die jede
staatliche Ordnung bekämpfen. Befeuert werden sie keineswegs nur von
der Rechtsextremen Marine Le Pen, sondern, noch gravierender, vom
Linken-Führer Jean-Luc Mélenchon, einem veritablen Hetzer. Es ist
eine überaus ernste Feuerprobe für den jungen Präsidenten und
Hoffnungsträger Macron. Wenn er sie nicht besteht, drohen noch
schlimmere, bürgerkriegsähnliche Zustände. Er darf kein Öl ins Feuer
gießen, aber er muss garantieren, dass sich der Rechtsstaat
durchsetzt. Macron hat arge Missstände geerbt. Frankreich ist, trotz
seiner prinzipiellen wirtschaftlichen Stärke, in Geldnot. Es lebt
seit vielen Jahren über seine Verhältnisse - und niemand will es
wahrhaben. Das Sozialsystem ist recht großzügig, das
Renteneintrittsalter niedrig und nicht zuletzt: die Privilegien für
Staatsdiener nicht selten opulent - zu opulent, als dass die
Staatskasse sie sich leisten könnte. Macron hat sich Reformen auf die
Fahne geschrieben. Darüber haben alle gejubelt, anfangs. Doch bei
jedem, der merkt, dass die Reformen auch ihn negativ treffen könnten,
schlägt der Jubel um, nicht selten in Wut.
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