Verbrennungstod des syrischen Häftlings Amad A.: Recherche des WDR/ARD-Magazins MONITOR enthüllt massive Zweifel an offizieller Darstellung des Brandverlaufs in JVA Kleve
Geschrieben am 06-12-2018 |
Köln (ots) - Im Fall des aufgrund einer Verwechslung unschuldig
inhaftierten Syrers Amad A., der nach einem Brand in der
Justizvollzugsanstalt Kleve ums Leben kam, äußern Experten massive
Zweifel an den offiziellen Darstellungen zum mutmaßlichen Verlauf des
Geschehens. Das berichtet das WDR/ARD-Magazin MONITOR (Donnerstag,
21.45 Uhr, Das Erste) unter Berufung auf ein unabhängiges Gutachten
und Expertenaussagen. "So wie der Brand von der Staatsanwaltschaft
beschrieben wurde, ist er nicht möglich", sagt dazu Korbinian Pasedag
vom Institut für Brand- und Löschforschung in Dippoldiswalde.
Das nordrhein-westfälische Justizministerium und die
Staatsanwaltschaft Kleve gehen auf der Grundlage eines durch die
Behörde eingeholten Brandgutachtens davon aus, dass der Brand "circa
15 Minuten bei geschlossenem Fenster eingewirkt habe, ohne dass sich
der syrische Staatsangehörige bemerkbar gemacht habe." Erst danach
soll Amad A. die Rufanlage betätigt haben. Unmittelbar danach habe er
wohl das Fenster des Haftraumes geöffnet, heißt es in einem Bericht
des Ministeriums an den Rechtsausschuss des Landtags.
Nach Einschätzung der von MONITOR befragten Experten wäre eine
Person nach 15 Minuten bei einem so beschriebenen Brandverlauf in
einem geschlossenen Raum jedoch nicht mehr handlungsfähig: "Auf der
einen Seite durch den dichten Rauch und auf der anderen Seite durch
die Toxizität der Gase, die da entstehen", so Korbinian Pasedag. Dies
bestätigt der Direktor der Rechtsmedizin Frankfurt, Prof. Dr. Marcel
A. Verhoff: "Ich würde eher erwarten, dass die Person nach einer
Viertelstunde längst bewusstlos ist", sagt er.
In einem für MONITOR erstellten Gutachten geht das Institut für
Brand- und Löschforschung davon aus, dass der von der
Staatsanwaltschaft beschriebene Brandverlauf nur bei einer
"ausreichenden Ventilation" möglich sei, also der Zufuhr von
Sauerstoff, etwa durch ein geöffnetes Fenster oder eine geöffnete
Tür. Gleichzeitig würden die beim Brand entstehenden Verbrennungen
"zu erheblichen Schmerzen führen, die durch Schmerzschreie geäußert
werden." Dies deckt sich mit Schilderungen von Personen, die zum
Zeitpunkt des Unglücks in der JVA waren. Demnach habe Amad A. laut
geschrien. Wann Amad A. das Fenster geöffnet oder auf sich aufmerksam
gemacht hat, ist wichtig für die Beurteilung des Handelns der
JVA-Bediensteten. Konkret steht die Frage im Raum, ob sie den Brand
früher hätten bemerken und Amad A. retten können.
"Der Haftraumbrand ist eine der vielen ungeklärten Stellen dieser
ganzen Geschichte von Amad A.", sagt der NRW-Landtagsabgeordnete
Stefan Engstfeld, Mitglied im Rechtsausschuss. Engstfeld fordert nun
eine lückenlose Aufklärung im Untersuchungsausschuss.
Die Staatsanwaltschaft teilte auf MONITOR-Anfrage mit, die Frage,
ob, wie und wann Amad A. sich während des Brandgeschehens bemerkbar
gemacht hat, sei Gegenstand der Ermittlungen. Ebenso die Frage, ob
das Verhalten von JVA-Mitarbeitern von strafrechtlicher Relevanz sei.
Das Justizministerium NRW wollte zu den Widersprüchen keine Stellung
nehmen: "Ob die Abläufe innerhalb der JVA Kleve zu beanstanden sind,
wird nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu
bewerten sein", so das Ministerium auf MONITOR-Anfrage.
Pressekontakt:
WDR Pressedesk
Tel. 0221-220 7100
wdrpressedesk@wdr.de
Original-Content von: ARD Das Erste, übermittelt durch news aktuell
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