Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Schlimmer Verdacht" von Reinhold Zweigler zu rechtsextremen Vorfällen in der hessischen Polizei
Geschrieben am 18-12-2018 |
Regensburg (ots) - Als Vergeltung schlachten wir deine Tochter -
eine solch brutale Drohung ist selbst in der kruden Welt von
hartgesottenen Rechtsextremisten nicht an der Tagesordnung. Doch
hinter dieser unverhohlenen Morddrohung gegen das Kind einer
deutsch-türkischen Anwältin sollen nicht durchgeknallte und
gewalttätige Neonazis, sondern Polizisten stecken. Das ist ein
schlimmer, ein ungeheuerlicher Verdacht. Ausgerechnet eine Handvoll
von Hütern der öffentlichen Ordnung und Sicherheit soll sich dermaßen
menschenverachtend und mordlüstern geäußert haben. Es sträubt sich
einem die Feder. Adressiert wurden diese Hassnachrichten an eine
Anwältin, die nichts anderes getan hat, als Mandanten vor Gericht zu
vertreten. In einem Fall Nebenkläger im spektakulären NSU-Prozess, in
einem anderen einen Ex-Fahrer des Terroristen Osama bin Laden. Das
rechtsextreme NSU-Mordtrio konnte übrigens auch deshalb so lange
unerkannt Menschen umbringen, weil die Ermittler einen
extremistischen Hintergrund jahrelang ausgeschlossen hatten. Die
einzige Konsequenz, die aus den jetzigen Vorwürfen in Hessen zu
ziehen ist, klingt banal, ist aber gleichwohl richtig: Die
rechtsextremen Vorfälle bei der Frankfurter Polizei müssen rasch und
lückenlos aufgeklärt werden. Sollten sich die Vorwürfe gegen mehrere
hessische Polizeibeamte bewahrheiten und vor Gericht Bestand haben,
müssen die Verantwortlichen für die rechtsextremen, zutiefst
menschenverachtenden Botschaften hart bestraft und selbstverständlich
aus dem Polizeidienst entfernt werden. Wer dermaßen gegen Recht und
Gesetz, gegen die Würde von Menschen verstößt, hat in den Reihen der
Polizei nichts zu suchen. Es handelt sich bei den Drohungen sowie den
Nazi-E-Mails auch nicht um einen verzeihlichen Ausrutscher, sondern
um eine gemeine Bedrohung des Lebens von Menschen sowie der
öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Ob es sich bei den Vorkommnissen
in Frankfurt/Main und möglicherweise auch noch anderen Dienststellen
um "Einzelfälle" handelt, oder ob hier doch Netzwerke agieren, können
erst die Ermittlungen zeigen. Keinesfalls jedoch darf aus den jetzt
bekannt gewordenen Vorgängen in Hessen ein Generalverdacht gegen
sämtliche Polizisten konstruiert werden. Den Tausenden von
Ordnungshütern von Bund und Ländern, die jeden Tag ihren Dienst
verantwortungsbewusst und mit hohem Einsatz absolvieren, darf die
Verfehlung einzelner "schwarzer Schafe" aus ihren Reihen nicht zum
Vorwurf gemacht werden. Es sind übrigens die Polizisten selbst, die
sich über die rechtsextremen Verfehlungen von "Kollegen" am meisten
aufregen und sich davon distanzieren. Damit die Polizei in Bund und
Ländern weiterhin hohes Ansehen genießt, ist es enorm wichtig, dass
sie weder auf dem rechten, noch auf dem linken Auge blind sein darf.
Vorurteile, Korpsgeist, falsch verstandene Kameradschaft dürfen
keinen Platz in den Sicherheitsbehörden haben. Bei der Auswahl und
der Ausbildung künftiger Polizisten muss noch mehr Wert auf die
verfassungsgemäßen Grundlagen ihres Dienstes und ihrer Haltung gelegt
werden. Für die nächsten Jahre wurde ja, zum Glück, ein starker
Ausbau bei den Polizeibehörden angekündigt. Überlegenswert ist
freilich, ob es nicht auch bei der Polizei von Bund und Ländern
Anlaufstellen geben sollte, bei denen Beamte extreme Entwicklungen
und Vorfälle vorbringen können, ohne dass sie den zeitraubenden
Dienstweg einhalten müssten und ohne dass ihnen daraus Nachteile
erwachsen. Das Vorbild dafür ist der Wehrbeauftragte des Bundestages,
der als Mann des Parlaments in der Bundeswehr allerdings auf einer
anderen Ebene agiert. Die rechtsextremen Vorfälle in Hessen, aber
auch anderen Länderpolizeibehörden, könnten Anlass sein, darüber
einmal ernsthaft nachzudenken.
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Mittelbayerische Zeitung
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