Mittelbayerische Zeitung: Bitte versuchen Sie es noch einmal. Es gäbe einen Weg zum flächendeckenden superschnellen Netz - aber dazu müssten Politiker umdenken. Von Marianne Sperb
Geschrieben am 06-01-2019 |
Regensburg (ots) - Albanien, so erfuhren wir zuletzt, hängt
Deutschland ab. Das Land weist für seine Bürger zwar nur ein winziges
Durchschnittseinkommen aus, das etwa ein Zehntel des deutschen
Vergleichswerts beträgt, aber es kann ein relativ prächtig
funktionierendes Handynetz vorzeigen - entschieden besser als
Deutschland. Die Bundesrepublik verpasst gerade den Anschluss an die
Digitalisierung, denn die nächste industrielle Revolution wird nicht
ohne die neue und damit fünfte Generation von Mobilfunk möglich sein.
5G kommt nicht in die Gänge. Dabei gäbe es einen Weg zu einem
flächendeckenden, schnelleren und auch gerechteren 5G-Netz - aber
dazu müsste die Politik radikal neu ansetzen und der Staat auf Erlöse
verzichten. Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica wollen die
5G-Vergaberegeln vor Gericht zu Fall bringen. Das war zuletzt die
zweite schlechte Nachricht für den Standort D. Mit der Klage steht
die Versteigerung der Frequenzen, geplant für das erste Quartal 2019,
auf juristisch wackligen Füßen. Das Verfahren könnte sich zum
Desaster entwickeln. Um den stockenden Prozess in Fluss zu bringen,
könnte der Staat auf die Milliardensummen verzichten, die die Auktion
einbringen soll, und im Gegenzug auf einer Garantie für die
vollständige und zeitnahe Versorgung mit 5G bestehen. Die
Unternehmen, die den Zuschlag bekommen, könnten - und müssten - einen
Teil der gesparten Milliarden in den Ausbau der Infrastruktur
investieren, und zwar flächendeckend. Denn nach wie vor gibt es im
hoch industrialisierten Deutschland die Fälle, in denen Menschen den
Hügel vor ihrem Haus ersteigen müssen, um eine funktionierende
Handyverbindung zu bekommen. Beharrt der Staat auf der Versteigerung
der Frequenzen, werden sich die Netzbetreiber auf die Versorgung von
lukrativen, also dicht besiedelten Flächen konzentrieren - und
Deutschland bleibt durchsetzt von Funklöchern. Das hätte nicht
einfach nur für Menschen, die telefonieren wollen, Folgen, sondern
zum Beispiel auch für Weltmarktführer, die nicht in Stadtzentren
produzieren, sondern draußen, auf dem Land. Frankreich macht es
übrigens bereits vor. Dort haben sich die Mobilfunknetzbetreiber
freiwillig zu extremen Anstrengungen beim Netzausbau verpflichtet, im
Tausch gegen eine maßvolle Kostengestaltung durch die Regierung. Die
5G-Frequenzen sehr sehr günstig oder gratis zu vergeben, wäre
zielführender und auch gerechter als die geplante Versteigerung. Denn
Frequenzen gehören zunächst einmal den Menschen, wie die Luft und das
Wasser. Wenn der Staat mit der Vergabe dieses Volkseigentums kräftig
Kasse macht, werden die Netzbetreiber die Rechnung selbstverständlich
den Nutzern präsentieren. Höhere Kosten für Telekommunikation sind im
Prinzip nichts anderes als eine weitere verdeckte Steuer, die man dem
Bürger abpresst. Der hat ja keine Wahl - wie praktisch für die
Steuereinnehmer. Dabei muss der Verbraucher für ein Handynetz, das
schlechter als in Albanien funktioniert, bereits jetzt relativ tief
in die Tasche greifen. Smarte Städte, das Internet der Dinge,
autonomes Fahren oder Telemedizin brauchen superschnelle Netze und
Echtzeit-Verbindungen. Welche Anwendungen das 5G-Netz ermöglichen
wird, ist noch gar nicht absehbar, so wenig, wie man bei der
Erfindung der Dampfmaschine oder des Verbrennungsmotors die
langfristigen Konsequenzen abschätzen konnte. Hat die Politik das
Potenzial von 5G überhaupt überrissen? Jüngste Äußerungen zum
Beispiel von Bundeskanzlerin Angela Merkel lassen zweifeln. Vor
Arbeitgebern sagte sie im November 2018, es brauche nicht sofort
einen flächendeckenden Ausbau mit 5G. Ein verlässlicher 3G-Standard
genüge. Und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek meinte, 5G sei
"nicht an jeder Milchkanne" notwendig. Einschätzungen dieses Kalibers
waren zuletzt eine dritte schlechte Nachricht für den Standort D.
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