"Exclusiv im Ersten: Das Diesel-Desaster" - Ärzte und Wissenschaftler kritisieren Maßnahmen gegen Diesel
Geschrieben am 07-01-2019 |
Hamburg (ots) - Lungenfachärzte und andere Wissenschaftler halten
die derzeit verhängten Fahrverbote gegen ältere Diesel-PKW für
unbegründet. Nach Recherchen für die NDR Dokumentation "Exclusiv im
Ersten: Das Diesel-Desaster" bestreiten die Experten die
wissenschaftliche Grundlage der bestehenden Luftreinhaltegesetze und
darüber hinaus die Methoden, mit denen in Deutschland Luftschadstoffe
wie Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2) gemessen werden. "Exclusiv
im Ersten: Das Diesel-Desaster" von Thomas Berbner und Torben Börgers
läuft am 7. Januar um 21.45 Uhr.
Der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Pneumologie, Dieter Köhler, hält die bestehenden Grenzwerte von 40
Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel und
für 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel für
wissenschaftlich nicht haltbar. Dem NDR sagte Köhler: "Der jetzige
Grenzwert für NO2 und auch Feinstaub ist völlig ungefährlich und
produziert keinen einzigen Toten."
Köhler kritisiert die statistische Methode, durch den Vergleich
von Krankheitsdaten von Menschen aus der Stadt mit denen von
Bewohnern im ländlichen Raum Rückschlüsse auf die Ursache von höheren
Krankheitszahlen und früherem Todeseintritt zu ziehen. Andere
Faktoren wie zum Beispiel Alkoholkonsum, sportliche Betätigung oder
Rauchen seien in solchen Beobachtungsstudien nicht ausreichend
berücksichtigt worden.
Die Direktorin des Münchener Helmholtz-Zentrums für Umweltmedizin,
Annette Peters, tritt dieser Kritik entgegen. Die anderen Faktoren
seien berücksichtigt und ihr Einfluss mit statistischen Methoden
herausgerechnet worden. Peters sagte dem NDR: "Unsere Studie, die wir
im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführt haben, hat
ausgerechnet, dass es ungefähr 6.000 Todesfälle in Gesamtdeutschland
sind oder ungefähr 50.000 Lebensjahre, die in der Gesamtbevölkerung
verloren gehen."
Auch das Umweltbundesamt bleibt bei seiner Position, wonach
Stickstoffdioxid und Feinstaub in Deutschland zu vielen tausend
vorzeitigen Todesfällen führten. Wolfgang Straff vom Umweltbundesamt:
"Mit jeden zehn Mikrogramm pro Kubikmeter NO2 steigt die Anzahl von
Menschen, die bestimmte Erkrankungen, zum Beispiel
Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln." Der ärztliche Direktor des
Stuttgarter Krankenhauses vom Roten Kreuz tritt dieser Sichtweise
entgegen. Dem NDR sagte Martin Hetzel: "Es gibt keine
Feinstaub-Erkrankung der Lunge oder des Herzens und es gibt keine
NO2- Erkrankung der Lunge oder des Herzens, die man im Krankenhaus
antrifft. Das gibt es nicht. Es gibt auch keinen einzigen Todesfall,
der kausal auf Feinstaub oder NO2 zurückzuführen wäre. Das sind
konstruierte mathematische Modelle."
Auch die derzeit in Deutschland verwendeten Messverfahren für
Feinstaub und Stickstoffdioxid werden von Fachleuten infrage
gestellt. Matthias Klingner vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und
Infrastruktursysteme kritisiert die Platzierung der wohl bekanntesten
Messstelle für Luftschadstoffe am Neckartor in Stuttgart. Dort werden
seit Jahren Überschreitungen der Grenzwerte für Feinstaub und
Stickstoffdioxid festgestellt. Der NDR hat Messungen des
Fraunhofer-Instituts begleitet. Sie zeigen einen erheblichen Einfluss
der benachbarten Kreuzung auf die Messwerte. Matthias Klingner: "Wir
sehen hier viele Spitzen, wenn wir uns die anschauen, dann sind das
die Anfahrvorgänge der Autos, die nach der Rotphase anfahren. Da
brauche ich besonders viel Treibstoff. Das sieht man hier, eigentlich
der Grund, weshalb solche Messstationen ein ganzes Stück entfernt
stehen sollen von den Kreuzungen, um diese Anfahrvorgänge eben nicht
explizit zu erfassen. Aber so erzeugt man eben hohe Stickoxidwerte."
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann
(Bündnis90/Die Grünen) verteidigte den Standort der Messstelle am
Neckartor im Gespräch mit dem NDR. Er verwies auf die angrenzende
Wohnbebauung, zudem sei der vorgeschriebene Mindestabstand zur
nächsten Kreuzung eingehalten. Winfried Hermann : "Wir haben das
übrigens mehrfach überprüfen lassen. Ich muss sagen: Jeder
Wissenschaftler, der irgendwann mal was gehört hat von Feinstaub oder
von Stickoxid, meint, er müsse sich da einmischen. Aber nicht alle
sind kompetent."
Die Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte für
Stickstoffdioxid hat zuletzt in Stuttgart zu Fahrverboten für ältere
Diesel geführt. Seit dem 1. Januar gilt in der gesamten Innenstadt
ein Verbot für Diesel-PKW der Generation Euro 4 und älter. Mit einer
Erweiterung des Verbots auch auf Diesel-Abgasnorm Euro 5 wird noch in
diesem Jahr gerechnet. Diese Verbote basieren auf den in den
europäischen Verordnungen festgelegten Grenzwerten für NO2 und
Feinstaub. Auf Grundlage der Überschreitung des Grenzwerts für
Stickstoffdioxid haben zahlreiche Gerichte in Deutschland Fahrverbote
für ältere Diesel-PKW angeordnet.
Bitte bei Zitaten Quellenhinweis: "Exclusiv im Ersten: Das
Diesel-Desaster"
Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Presse und Information
Yannick Christmann
Tel: 040-4156-2333
http://www.ndr.de
https://twitter.com/NDRpresse
Original-Content von: NDR / Das Erste, übermittelt durch news aktuell
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