Rheinische Post: Kommentar /
Dieses Großbritannien ist für die EU gefährlich
= VON MATTHIAS BEERMANN
Geschrieben am 15-01-2019 |
Düsseldorf (ots) - Zweieinhalb Jahre nach dem Referendum, bei dem
eine knappe Mehrheit der Briten für den Austritt aus der EU gestimmt
hat, ist das Klima auf der Insel so vergiftet wie vielleicht noch nie
in der jüngeren Geschichte des Vereinigten Königreichs. In London
herrscht blankes politisches Chaos, und im Land wächst die Wut - in
beiden Lagern. In einer solchen Situation liegt die Suche nach einem
Notausgang nahe, und es gibt ja sogar einen: Die britische Regierung
könnte ihre Austrittserklärung einseitig zurückziehen, den Brexit
also kurzfristig einfach abblasen. Gerade vielen Kontinentaleuropäern
erscheint das geradezu als die logische Konsequenz aus dem britischen
Schlamassel. Aber es wäre wohl ein Schritt mit potenziell
gefährlichen Nebenwirkungen, und zwar für Großbritannien ebenso wie
für die EU.
Premierministerin Theresa May hat ja nicht ganz unrecht, wenn sie
darauf verweist, dass es dem demokratischen Verständnis Hohn spräche,
den Brexit einfach abzusagen. Gewiss, die Befürworter des
EU-Austritts haben im Vorfeld der Volksabstimmung mit falschen Karten
gespielt und das Blaue vom Himmel heruntergelogen. Und es stimmt, das
Votum war nicht verpflichtend. Trotzdem wäre eine brüske Abkehr vom
Brexit wohl eine Steilvorlage für EU-feindliche Populisten. Und
sollte es zu einem zweiten Referendum kommen, mag man sich gar nicht
ausmalen, mit wie viel Hass diese neue Kampagne geführt werden würde.
Es gibt Briten, die haben tatsächlich Angst vor einem Bürgerkrieg.
Man kann sie irgendwie verstehen.
Aber auch für die EU wäre eine solche Situation brisant. Natürlich
hat die Aussicht etwas Verlockendes, ein so wichtiges Land wie
Großbritannien doch noch in der EU zu halten. Aber was wäre das für
ein Land? Die brutale Härte der innenpolitischen Auseinandersetzung
würde einen traumatisierten Partner in die Reihen der Europäer
zurückkehren lassen, der noch weniger als früher einzubinden wäre.
Ein innenpolitisch hoffnungslos zerstrittenes und politisch gelähmtes
Großbritannien könnte innerhalb der EU immensen Schaden anrichten.
Deswegen wäre es für beide Seiten tatsächlich besser, die Briten
würden ihren Austritt nun auch tatsächlich vollziehen. Wenn sie dann
in einigen Jahren gemerkt haben, dass die EU vielleicht doch nicht
die Hölle auf Erden war, können sie ja gerne zurückkommen. Nur müsste
ein solcher Austritt möglichst geregelt erfolgen, denn sonst - auch
darauf hat Theresa May völlig zurecht hingewiesen - droht dem
Vereinigten Königreich über kurz oder lang die Implosion, wenn
schottische und irische Nationalisten mobil machen. Es geht jetzt nur
noch darum, das Schlimmste zu verhindern.
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