Allg. Zeitung Mainz: Groß denken / Kommentar von Friedrich Roeingh zur Bafög-Reform
Geschrieben am 28-01-2019 |
Mainz (ots) - Intelligenz und Talente machen zum Glück nicht an
sozialen und ethnischen Schranken Halt. Der Zugang zum Studium aber
schon. Wir wissen längst, dass Deutschland unter den OECD-Ländern
regelmäßig blamabel abschneidet, was die soziale Durchlässigkeit
seines Bildungssystems angeht. Sag mir, was deine Eltern verdienen,
und ich sage dir, welchen Abschluss du machst. Oder noch härter
ausgedrückt: Studierte gebären Studierende. So betrachtet sind die
rückläufigen Zahlen beim Bafög vor allem ein weiterer Beweis dafür,
dass junge Talente nicht erkannt und nicht dahin gefördert werden, wo
sie hinkommen können. Das ist nicht nur gegenüber den Kindern
ungerecht. Es ist in einer überalternden Industriegesellschaft auch
mit Blick auf das Gemeinwohl höchst fahrlässig. Mit ein paar
Stellschrauben am Bafög - an denen man ruhig drehen mag - lässt sich
dieses Grundsatzproblem allerdings nicht heilen. Wenn Deutschland in
der Bildungsdebatte nicht aus dem Klein-Klein herauskommt, werden wir
noch viele Reformschritte ohne Wirkung erleben. Die Schlüssel sind
kostenfreie Kitas und eine Aufwertung der frühkindlichen Bildung.
Doppelte Besetzung im Grundschulunterricht, wo heute schon
flächendeckend in zwei, manchmal drei Geschwindigkeiten unterrichtet
werden muss. Die Ganztagsschule als Regelschule, die die Kinder aus
ihrem Hartz-IV-Umfeld oder der digitalen Wohlstandsverwahrlosung holt
- und die Talente vieler Mädchen aus den engen Grenzen ihres
Kulturkreises heraushebt. Haben wir eigentlich vergessen, dass
Bildungsreform ein großes Wort ist und nicht nur eine politische
Verkaufsvokabel?
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