BERLINER MORGENPOST: Die Gefahr kehrt zurück / Leitartikel von Miguel Sanches zum Ende des INF-Vertrages
Geschrieben am 01-02-2019 |
Berlin (ots) - Nach der Kündigung durch die USA vergeht ein halbes
Jahr bis zum Ende des INF-Vertrages. Ist die Frist erst verstrichen,
wird die Abrüstungsvereinbarung für atomare Mittelstreckenraketen
kaum noch zu retten sein. Die Europäer dürfen nichts unversucht
lassen. Es ist gut, dass Außenminister Heiko Maas (SPD) Amerikaner
und Russen drängt, diese Zeit für Gespräche zu nutzen. Der Versuch
ist ehrenwert. Und beim Versuch wird es auch bleiben. Die
Erfolgschancen sind gering.
Politik beginnt mit dem Betrachten der Realität. Allzu viele
Staaten sind daran interessiert, Mittelstreckenwaffen zu entwickeln
und zu stationieren: die USA, Indien, Pakistan, China und zum
Leidwesen der Europäer auch Russland. Nukleare Sprengköpfe in einem
regionalen Krieg einzusetzen, gehört wohl zu seiner Militärdoktrin.
Es ist die Rückkehr des 20. Jahrhunderts: der nuklearen
Abschreckung, des Gleichgewichts des Schreckens. Zurück in die
Zukunft? Die Eskalation birgt Risiken. Die USA und Russland könnten
auch den New-Start-Vertrag zur Begrenzung strategischer Atomwaffen
2021 auslaufen lassen. Dann wären weitere Atomarsenale ohne Limit.
Das Ende des INF-Vertrages ist mit dem Namen Donald Trump verbunden.
Indes beschleichen die USA seit Jahren Zweifel, ob die Russen das
Abkommen einhalten, ab 2011 wurden die Bedenken massiver, seit 2014
galt der Vertrag als gefährdet, weil die Russen ihn unterlaufen. Sie
haben auch wenig unternommen, um neues Vertrauen zu schaffen. Der
US-Präsident ist nur waghalsiger, skrupelloser als Vorgänger Barack
Obama. Oder konsequenter. Anders als Obama hat Trump keine Visionen;
wenn doch, dann nicht von einer friedlichen Welt, sondern von der
Sorte, die Psychiater umtreibt.
Im Kern betrifft INF europäische Sicherheit. Nicht die USA, ihre
Partner auf dem alten Kontinent befinden sich im Radius der
russischen SSC-8-Marschflugkörper. Die Europäer haben drei Optionen.
Erstens, sie finden sich mit der Bedrohung ab; mit hohem
Erpressungspotenzial. Zweitens, sie rüsten mit Mittelstreckenwaffen
nach. Das erinnert an das Wettrüsten der 80er-Jahre. Drittens, sie
verlassen sich darauf, dass die USA bei einem Angriff ihren Partnern
zu Hilfe eilen und ihre Interkontinentalraketen einsetzen. Die
atomare Schutzgarantie hatte schon immer etwas Religiöses. Sie beruht
auf den Glauben, dass die Amerikaner im Konfliktfall zugunsten ihrer
Nato-Partner eingreifen und Risiken eingehen. Was sie im Ernstfall
wirklich machen würden, weiß keiner. Erleben möchte man den
Realitätstest nicht.
Es ist nur so, dass der Glaube an den atomaren Schutzschirm der
Amerikaner noch nie so klein war wie heute. Schließlich macht Trump
("America First") kein Hehl daraus, dass nationale Prioritäten
Vorrang haben vor den Interessen anderer Staaten. Das macht die
Europäer erpressbar gegenüber den USA, die von ihnen mehr
Anstrengungen zur eigenen Sicherheit erwarten. Wenn sie nicht
parieren, verfällt womöglich die US-Versicherungspolice.
Es gibt eine Rest-Hoffnung. Womöglich haben Russen und Amerikaner
Europa weniger im Blick als befürchtet, umso mehr China. Als der
INF-Vertag vor 30 Jahren geschlossen wurde, war Peking noch kein
Herausforderer. Aber inzwischen entwickeln die Chinesen
Mittelstreckenraketen. Die Aufkündigung des Vertrages könnte der
Versuch sein, die Uhr auf null zu stellen. Der nächste
Abrüstungsvertrag wird ein trilaterales Abkommen mit China - oder es
wird keiner. Und die Europäer? Sie bleiben militärisch unter ihren
Möglichkeiten, sie sind zu vernachlässigen. Wer nicht handelt, der
wird behandelt.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de
Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
672974
weitere Artikel:
- BERLINER MORGENPOST: Nie benutzt: Tram-Gleise auf Oberbaumbrücke werden nach 25 Jahren ausgebaut Berlin (ots) - Ohne dass je eine Straßenbahn darüber gefahren ist,
werden die vor 25 Jahren auf der Oberbaumbrücke verlegten Gleise
wieder ausgebaut. Das bestätigte am Freitag ein Sprecher der
Senatsverkehrsverwaltung der Berliner Morgenpost (Sonnabendausgabe).
Grund sind Schäden an der wichtigen Spreebrücke, die Friedrichshain
und Kreuzberg verbindet. Der Ausbau von 650 Meter Schienen und die
notwendige neue Fahrbahnabdichtung kosten voraussichtlich 830.000
Euro. Für geplante Tramverlängerungen in den Westteil der Stadt hatte
der mehr...
- Rheinische Post: EVP-Spitzenkandidat Weber lehnt Zusammenarbeit mit "radikalen Kräften" nach der Europawahl ab Düsseldorf (ots) - Der Spitzenkandidat der EVP, der CSU-Politiker
Manfred Weber, hat eine Zusammenarbeit mit radikalen Kräften im
EU-Parlament nach der Europawahl abgelehnt. "Wenn Europa ein neues
Kapitel für die Zukunft aufschlagen will, dann kann es keine
Zusammenarbeit mit radikalen Kräften geben. Es wird keine Gespräche
mit den Rechtsextremen geben", sagte Weber der Düsseldorfer
"Rheinischen Post" (Samstag). Angela Merkel sieht er für den
Zusammenhalt Europas in einer Schlüsselrolle. "Merkel wird weiter
eine zentrale Rolle für mehr...
- Rheinische Post: Baerbock fordert Tempolimit als "Sache der Vernunft" Düsseldorf (ots) - Grünen-Chefin Annalena Baerbock hat ein
generelles Tempolimit auf Autobahnen gefordert. "Ein Tempolimit
schützt Menschenleben. Ein Tempolimit ist eine Sache der Vernunft",
sagte Baerbock der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag). In
Brandenburg, wo ihr Wahlkreis liegt, habe sich die Zahl der
Verletzten auf einem Autobahnstück von 60 Kilometern nach Einführung
eines Tempolimits auf 130 Stundenkilometer mehr als halbiert.
Baerbock griff Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) scharf
an, der eine mehr...
- Rheinische Post: Deutscher Städte- und Gemeindebund verlangt Grundsteuer-Reform noch im Frühjahr Düsseldorf (ots) - Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat die
Bundesregierung dazu aufgefordert, die Grundsteuer-Reform noch im
Frühjahr zur Abstimmung zu bringen. "Es war höchste Zeit, dass sich
Bund und Länder im Grundsatz verständigt haben, denn die Uhr für die
Reform tickt", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der
Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag). "Jetzt muss weiter Tempo
gemacht und ein Gesetzesentwurf erarbeitet werden. Dieser sollte
rasch dem Bundeskabinett zugeleitet und noch im Frühjahr in den
Bundestag mehr...
- Rheinische Post: NRW-Landesregierung gab 16,5 Millionen Euro für externe Berater aus Düsseldorf (ots) - Die schwarz-gelbe Landesregierung hat seit dem
Regierungswechsel im Sommer 2017 bis Dezember 2018 175 externe
Beratungsdienstleistungen im Gesamtwert von 16,5 Millionen Euro
eingekauft. Die Düsseldorfer Staatskanzlei stellte der Düsseldorfer
"Rheinischen Post" (Samstag) auf Anfrage eine Übersicht mit
sämtlichen in diesem Zeitraum in Auftrag gegebenen Gutachten und
sonstigen Beratungsdienstleistungen zur Verfügung. Teuerstes
Gutachten war demnach die "Erstellung des multimodalen
Landesverkehrsmodells 2035" im Auftrag mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|