BERLINER MORGENPOST: Das Vertrauen ist erschüttert / Leitartikel von Alexander Dinger zum Fall Fabian
Geschrieben am 09-02-2019 |
Berlin (ots) - Kurzform: Der Fall Fabien, die bei einem Unfall mit
einem Funkstreifenwagen im vergangenen Jahr ums Leben kam, hat enorme
Sprengkraft. Die Behörde muss jetzt zügig und transparent zur
Aufklärung beitragen. Geschieht das nicht, kann das Vertrauen in die
Berliner Polizei nachhaltig beschädigt werden. Dass Zweifel auch nach
einem Jahr eben nicht ausgeräumt werden können, hängt mit einem
Problem zusammen, das Polizisten nicht gern hören, aber vielen
Zivilisten bitter aufstößt. Und das ist der Korpsgeist. Polizisten
stehen auf der guten Seite, machen kaum Fehler und sind eine Familie,
die immer zusammenhält. Es schleicht sich der Verdacht ein, dass mit
zweierlei Maß gemessen wird. Als vor wenigen Wochen der
innenpolitische Sprecher der Linken in Berlin alkoholisiert einen
Unfall baute, bei dem niemand verletzt wurde, waren unter den
Kommentatoren in den sozialen Netzwerken auch Polizisten, die mit
höchsten moralischen Grundsätzen argumentierten. Diese gelten aber
offenbar nur für Zivilisten.
Der vollständige Leitartikel: Der Fall Fabien, die bei einem
Unfall mit einem Funkstreifenwagen im vergangenen Jahr ums Leben kam,
hat enorme Sprengkraft. Die Behörde muss jetzt zügig und transparent
zur Aufklärung beitragen. Geschieht das nicht, kann das Vertrauen in
die Berliner Polizei nachhaltig beschädigt werden. Diese Brisanz
haben mittlerweile alle verstanden. Bei der Polizei ist der Fall
inzwischen Chefsache. Der Innensenator ließ sich sogar im Urlaub
unterrichten und kann sich auf eine hitzige Innenausschusssitzung
Mitte Februar vorbereiten. Unwahrscheinlich ist allerdings, dass dort
neue Erkenntnisse ans Tageslicht kommen werden. Die Ermittlungen
laufen ja noch und werden nun noch einmal an Fahrt gewinnen, da
Zeugen, die mit dem Fahrer des Funkstreifenwagens am Tag des Unfalls
Kontakt hatten, noch einmal befragt werden sollen. Dass mehr als ein
Jahr nach der Tragödie so vieles noch offen ist, muss für die Eltern
von Fabien unerträglich sein. Dieser Zustand begann bereits kurz nach
dem Unfall, als sie in einer Zeitung "aus Ermittlerkreisen" lesen
mussten, dass ihre Tochter abgelenkt gewesen sei, weil sie vermutlich
telefoniert habe. Diese Information war falsch. Wie eine
Handyauswertung ergab, hatte die junge Frau nicht telefoniert. Die
Angehörigen fragen sich nun, ob solche Informationen gezielt gestreut
wurden, um die Polizei zu entlasten. Aufklären müssen die Ermittler
auch, warum ein Streifenwagen zu einer mutmaßlichen Raubtat mit 134
Stundenkilometern durch die Stadt rast. Die Grunerstraße ist mit
ihrem Parkplatz auf dem Mittelstreifen ein städtebauliches Desaster.
Der Beamte wusste das. Die Straße gehört zu seinem Revier. Er kennt
sich hier aus, hätte wissen müssen, wie gefährlich sein Handeln war.
Der größte und schwerwiegendste Verdacht betrifft allerdings den
möglichen Alkoholkonsum des Beamten. Nach dem Unfall war bei dem
Polizisten im Krankenhaus ein Wert von rund einem Promille
festgestellt worden. Ungeübte müssen sehr viel Alkohol trinken, um
diesen Wert zu erreichen. Allerdings wird der Anwalt des Beamten
diese Erkenntnis wahrscheinlich ins Wanken bringen. Denn direkt nach
dem Unfall war kein Alkoholtest bei dem Fahrer durchgeführt worden.
Für Nichtpolizisten ist das der nächste Skandal. Jeder, der schon mal
einen Unfall hatte oder in eine Routinekontrolle geriet, weiß, dass
ein erster Schnellcheck zum Standard gehört. Und für Polizisten
sollten noch einmal besonders strenge Regeln gelten, um Zweifel
ausräumen zu können. Dass diese Zweifel auch nach einem Jahr eben
nicht ausgeräumt werden können, hängt mit einem Problem zusammen, das
Polizisten nicht gern hören, aber vielen Zivilisten bitter aufstößt.
Und das ist der Korpsgeist. Polizisten stehen auf der guten Seite,
machen kaum Fehler und sind eine Familie, die immer zusammenhält.
Dass es diesen Geist gibt, zeigen Kommentare von Beamten zum Fall
Fabien im Internet. Auch der Fahrer des Unfallwagens bedankte sich
Wochen nach dem Unglück auf einem seiner Social-Media-Profile, das
inzwischen gelöscht ist, öffentlich für den Zusammenhalt in der
Polizeifamilie. Worte der Trauer an die Eltern des Opfers richtete er
öffentlich indes nicht. Es schleicht sich der Verdacht ein, dass mit
zweierlei Maß gemessen wird. Als vor wenigen Wochen der
innenpolitische Sprecher der Linken in Berlin alkoholisiert einen
Unfall baute, bei dem niemand verletzt wurde, waren unter den
Kommentatoren auch Polizisten, die mit höchsten moralischen
Grundsätzen argumentierten. Diese gelten aber offenbar nur für
Zivilisten.
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