Tarifeinheitsgesetz: dbb legt erneut Verfassungsbeschwerde ein
Geschrieben am 13-03-2019 |
Berlin (ots) - Der dbb beamtenbund und tarifunion (dbb) hat erneut
Verfassungsbeschwerde gegen das umstrittene Tarifeinheitsgesetz (TEG)
eingelegt. Durch die "Nachbesserung" des TEG Ende 2018 habe sich ein
neuer Sachverhalt ergeben, argumentiert der gewerkschaftliche
Dachverband, der das Gesetz von Beginn an als widerrechtlichen
Eingriff in die Koalitionsfreiheit bekämpft hat. "Die vermeintliche
Nachbesserung, die die Große Koalition kurz vor Ablauf der vom
Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist Ende letzten Jahres noch
schnell durchs Parlament gemogelt hat, hätte natürlich wirklich
Abhilfe schaffen können. Tatsächlich jedoch ändert sich an der
fatalen Beschneidung tarifautonomer Rechte nichts. In mancherlei
Hinsicht verschlechtert das Gesetz in seiner neuen Form die Situation
sogar noch", machte dbb Chef Ulrich Silberbach anlässlich der
Einreichung der neuerlichen Verfassungsbeschwerde am 13. März 2019
deutlich.
Allein das intransparente Gesetzgebungsverfahren sei geeignet, den
dbb in seinen Rechten zu beschneiden. Das Bundesverfassungsgericht
hatte ausdrücklich auf Transparenz eines demokratischen Verfahrens
gesetzt. Sowohl durch das "gehetzte Durchpeitschen" des Gesetzes in
allerkürzester Zeit als auch durch die nichterfolgte Beteiligung der
betroffenen Gewerkschaften und das "Segeln unter falscher Flagge"
seien Öffentlichkeit und die betroffenen Gewerkschaften gleichsam
ausgeschaltet worden, kritisierte Silberbach. "Eine Frage von so
hoher Tragweite wie die zwangsweise Herstellung einer Tarifeinheit
sollte nicht in einem Anhang zu einem Gesetz beschlossen werden, das
mit diesem Gegenstand nicht das Geringste zu tun hat. Und die
vorgesehene Mini-Korrektur ist überhaupt keine Lösung. Sie hat
letztlich nur die Übergangsvorschrift aus Karlsruhe mit
Verschlechterungen fortgeschrieben. Dazu gehört, dass die vom Gericht
in Auftrag gegebene Regelungsaufgabe an den Gesetzgeber einfach auf
die Sozialpartner abgewälzt wurde. Der Gesetzgeber hat es damit
komplett versäumt, Vorkehrungen zu treffen, wenn die Rechte der
Minderheitsgewerkschaft nicht gewahrt bleiben. Außerdem bleibt im
Dunklen, welche konkreten Rechte von der Schutzregelung überhaupt
umfasst sein sollen", so Silberbach weiter. "Wir bleiben daher bei
unserer Position, dass die Tarifautonomie weder das ursprüngliche
Gesetz noch die misslungene Korrektur gebraucht hätte. Wir setzten
weiter auf freiwillige Kooperation von Gewerkschaften und werden das
Gesetz, das massiv in ein elementares Grundrecht der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingreift, weiterhin mit allen
Mitteln bekämpfen", unterstrich der dbb Bundesvorsitzende.
Verfahrensbevollmächtigter des dbb vor dem Bundesverfassungsgericht
sei ebenso wie im Rahmen der ersten TEG-Verfassungsklage der
renommierte Arbeitsrechtlicher Prof. Dr. Wolfgang Däubler, erklärte
Silberbach.
Auch dbb Tarifchef Volker Geyer betonte die Entschlossenheit des
dbb in Sachen Eingriff in die Koalitionsfreiheit: "Wir werden diesen
Kampf bis zum Ende ausfechten. Das TEG benachteiligt bestimmte
Gewerkschaften und ist deshalb ebenso verfassungswidrig wie
undemokratisch. Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist es, egal ob
alte oder neue Fassung, wegen des unklaren Betriebs-Begriffs noch
weniger anwendbar als in der Privatwirtschaft, und mit der
Verlagerung der Tarifpolitik auf die Betriebsebene wird die Idee des
Flächentarifs gänzlich zerschossen. Das ist ein Irrweg, und mit
unserer erneuten Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe wollen wir
endlich eine Umkehr erreichen", so Geyer.
Hintergrund
Arbeitnehmer können in der Bundesrepublik Deutschland frei über
die Gewerkschaft ihrer Wahl entscheiden. Die Koalitionsfreiheit in
Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes gibt ihnen das Recht, "zur
Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen
Vereinigungen zu bilden". Dieses notstandsfeste Grundrecht ist
ausdrücklich "für jedermann und für alle Berufe" gewährleistet. Es
bleibt den Beschäftigten überlassen, ob sie sich einer
berufsspezifischen, branchenübergreifenden oder weltanschaulich
ausgerichteten Gewerkschaft anschließen und wen sie mit der
Vertretung ihrer Interessen in Tarifverhandlungen betrauen. Dies
wollten in Anbetracht des zunehmenden Einflusses so genannter
"Spartengewerkschaften" verschiedene Kräfte, darunter u.a. die
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die SPD
und der DGB ändern und trieben die Idee einer "Zwangstarifeinheit"
voran. Am 15. Juli 2015 trat trotz massiver Proteste und Widerstände
zahlreicher Gewerkschaften und Experten das Tarifeinheitsgesetz (TEG)
in Kraft. Danach soll nur noch die jeweils mitgliederstärkere
Gewerkschaft im Betrieb die Tarifhoheit haben, berufsspezifische
Arbeitnehmervereinigungen, beispielsweise zahlreiche
Fachgewerkschaften unter dem Dach des dbb, sind theoretisch
gehindert, eigene Tarifverträge für ihre Mitglieder abzuschließen.
Zugleich werden die Mitglieder der kleineren Gewerkschaft faktisch
ihres Koalitionsrechts und ihrer Tarifautonomie beraubt. Der dbb und
viele weitere betroffene Gewerkschaften und Berufsverbände legten
unverzüglich Verfassungsbeschwerde gegen das TEG ein. Entgegen der
überwiegenden Rechtsauffassung der Beschwerdeführer, Verfassungs- und
Arbeitsrechtsexperten entschied der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe am 11. Juli 2017 in einem auch
unter den Verfassungsrichtern hochumstrittenen Urteil, dass das TEG
zwar in die Koalitionsfreiheit eingreift und Grundrechte
beeinträchtigen kann, gleichwohl aber "weitgehend mit dem Grundgesetz
vereinbar" ist. Der Senat sah indes das Risiko, dass die Interessen
kleinerer Berufsgruppen unter den Tisch fallen könnten, deswegen
sollte der Gesetzgeber bis Ende 2018 noch schützende Vorkehrungen
schaffen. Dieser Maßgabe kam die amtierende große Koalition von Union
und SPD, Nachfolgerin der TEG-initiierenden vormaligen GroKo, nun
Ende November 2018 nach: Unter dem Deckmantel des unverdächtigen
Qualifizierungschancengesetzes schleuste die Bundesregierung ihre
TEG-Änderung in die parlamentarische Beratung ein und brachte die
unter Experten als wenig sinnvoll erachtete "Verbesserung" des
Minderheitenschutzes durch. In Anbetracht dieses neuen Sachstandes
legt der dbb nunmehr erneut Verfassungsbeschwerde gegen das TEG in
seiner geänderten Fassung ein. Bereits am 18. Dezember 2017 hatte der
dbb nach seiner Verfassungsklage in Karlsruhe auch beim Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Klage gegen das TEG
eingereicht. Aus Straßburg gibt es bereits erste positive Signale:
Die dbb Klage wurde angenommen, die deutsche Bundesregierung zu einer
Stellungnahme aufgefordert, die sie dem Gerichtshof bis Mitte Mai
vorlegen muss.
Pressekontakt:
dbb - beamtenbund und tarifunion
Britta Ibald
Telefon: 030.4081-5550
Fax: 030.4081-5599
Email: ibaldbr@dbb.de
Original-Content von: dbb beamtenbund und tarifunion, übermittelt durch news aktuell
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