Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Manifest von Verena Brunschweiger: Kinder sind unberechenbar von Marianne Sperb
Geschrieben am 14-03-2019 |
Regensburg (ots) - Ein Zyniker kennt von allem den Preis und von
nichts den Wert. Das alte Bonmot funkelt gerade wieder taufrisch im
Licht einer Debatte, die die Regensburger Pädagogin Verena
Brunschweiger losgetreten hat. Ihr Manifest "Kinderfrei statt
kinderlos", gut getimt kurz vor dem Weltfrauentag lanciert, schaffte
es in alle Kanäle und provozierte einen Shitstorm, heftig gesprenkelt
mit beifälligen Kommentaren. Konsequent umgesetzt, würde die Haltung
der Autorin einen unmenschlich hohen Preis kosten. Einen gewissen
Wert hat die Debatte dennoch. Die Feministin benennt den Schaden pro
Kind, das in Deutschland geboren wird, auf 58,6 Tonnen CO2-Ausstoß
pro Jahr und wirbt für Kinder-Verzicht, weil ja jeder neue Mensch auf
Erden Gift für den Planeten ist. Ein billiges Argument, in erster
Linie deshalb, weil sich ein Leben nicht in Tonnen und Euro messen
lässt. Ein Kind bedeutet mehr als einen ökologischen Fußabdruck, der
in einer säkularen Gesellschaft an die Stelle der Erbsünde getreten
ist. Mehr als einen Körper, der Fleisch isst, ins Flugzeug steigt,
sich fortpflanzt. Ein Kind verkörpert einen Schatz an Möglichkeiten,
einen Quell der Gefühle und Gedanken, die später vielleicht sogar das
Klima retten. In Computersprache: Das Manifest betrachtet Kinder als
Hardware und blendet die Software aus. Aber selbst, falls man sich
auf eine brandgefährliche Debatte über Wert und Schädlichkeit eines
Menschenlebens einlassen wollte: Auf ihrem gedanklichen Weg in eine
klimaneutrale Welt biegt Verena Brunschweiger an einigen Gabelungen
falsch ab. Das beginnt schon bei der zitierten Berechnung, die auf
einer Studie kanadischer Wissenschaftler von 2017 beruht, die
wiederum auf einer Untersuchung von 2009 fußt. Die Forscher rechnen
Treibhausgase, die ein zusätzliches Kind verschuldet, zum Teil bis in
die Jahrhunderte nach dem Tod seiner Eltern hoch. Wie fundiert das
ist, hat gerade das Wissenschaftsportal Spektrum.de untersucht, sein
Befund: Die Annahmen und Abkürzungen in der Argumentation versehen
die Grundaussage mit vielen Fragezeichen und "machen sie am Ende
praktisch wertlos". Wer Kinder in materiellen Ausstoß fassen will,
müsste auch die Gegenrechnung aufmachen und nicht nur Kosten
abklopfen, sondern auch den Ertrag, also etwa Sozialbeiträge in
Anschlag bringen. Verena Brunschweiger bietet eine Fülle von
Widersprüchen an. Sie kritisiert die Sexualisierung und die
Verdinglichung von Frauen, aber Geburten rangiert sie, stramm
materialistisch, als GAU für die Umwelt ein. Sie bekennt sich zur
Solidarität mit Frauen, spricht Frauen mit Kindern aber die Fähigkeit
zu eigenständigem Denken ab und vermutet in ihnen die Opfer einer
pronatalistischen Gehirnwäsche. Sie nennt sich altruistisch, weil sie
dem Klima zuliebe auf Kinder verzichtet, betont aber gleichzeitig,
dass das Nein zu Nachwuchs vor dem Knick in der Karriere schützt. Sie
behauptet, Eltern gehe es nicht um Kinder, sondern schlicht um mehr
Geld, und verkennt, dass es Paaren ohne Kinder finanziell in der
Regel weitaus besser ginge. Sie haben trotzdem Nachwuchs und sagen:
ein Glück! Die Debatte, die die Feministin anfacht, besitzt dennoch
gewissen Wert. Sie provoziert Widerspruch und schärft die Fähigkeit
zum Streiten. Es ist ein bisschen wie in der Architektur: Wenn das
Licht nur aus einer Richtung in ein Zimmer fällt, bleiben alle
Gegenstände im Raum blass und flach. Erst wenn wir die Dinge von
verschiedenen Seiten beleuchten, gewinnen sie Tiefe und Profil. Das
offene Streiten impft gegen Ideologien und gehört zur Demokratie wie
das Recht auf das offene Wort. Verena Brunschweiger darf ihre
Anschauung haben. Der Leser darf sich seine Meinung bilden. Menschen,
die kein Kind möchten, dürfen verzichten. Und Lehrer dürfen nicht
nur: Sie sollen sogar zu kontroversem Denken anregen.
Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de
Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
678404
weitere Artikel:
- Architekturwettbewerb - TRANSFORMATION 2019: Entwürfe für Gestaltungsmöglichkeiten des Meister-Areals in Nürnberg ausgezeichnet! Berlin/Nürnberg (ots) - Der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft
im BDI e. V. veranstaltet jährlich den Architekturwettbewerb
TRANSFORMATION. Die diesjährigen Preisträger zum Thema
"Handelsarchitektur in Nürnberg" wurden soeben gekürt. Aus den 14
Entwürfen von Studierenden der Universitäten Aachen, Darmstadt,
Karlsruhe, Kassel und der Fachhochschule Regensburg wählte die
hochkarätige Fachjury die gelungensten Entwürfe für eine mögliche
Gestaltung des Meister-Areals aus.
Der mit 5.000 Euro dotierte 1. Platz ging an Weiwen Yang, mehr...
- MDR KULTUR: hier spielt die Leipziger Buchmesse (FOTO) Leipzig (ots) -
Vom 21. bis 24. März wird Leipzig wieder zum wichtigsten
Schaufenster der Literaturszene. Dann gibt es bei MDR KULTUR täglich
exklusive Live-Highlights von der Leipziger Buchmesse und zahlreiche
Sonderformate in Fernsehen, Radio und Web. Bundesweite Aufmerksamkeit
verspricht zudem die Premiere der "ARD Radio Kulturnacht: Live unter
Büchern", die von allen ARD-Kulturwellen übertragen wird.
Mit einem großen multimedialen Gemeinschaftsstand, vielen
Programmhighlights und Literaturstars präsentieren sich ARD und mehr...
- Dreharbeiten zum "Tatort - Die Pfalz von oben" (AT) (FOTO) Baden-Baden / Donnersbergkreis / Kusel (ots) -
Brigitte Maria Bertele inszeniert den SWR Tatort zum 30.
Geburtstag von Lena Odenthal
Der Tod eines jungen Polizisten ruft Lena Odenthal und Johanna
Stern in das pfälzische Dorf Zarten. Der Ort ist Lena nicht
unbekannt, und auch die Begegnung mit dem Dienststellenleiter weckt
halb verschüttete Erinnerungen in der Kommissarin ... Ulrike
Folkerts, Lisa Bitter und Ben Becker spielen die Hauptrollen im SWR
"Tatort - Die Pfalz von oben" (AT), zu dem die Dreharbeiten in der
Westpfalz mehr...
- Rheinische Post: Demis Volpi soll künftig das Ballett am Rhein leiten Düsseldorf (ots) - Der deutsche-argentinische Künstler Demis Volpi
soll nach Informationen der Düsseldorfer Rheinischen Post
(Samstagausgabe) künstlerischer Leiter des preisgekrönten Balletts am
Rhein werden. Der Aufsichtsrat tagt dazu heute. Der 33 Jahre alte
Volpi folgt auf Martin Schläpfer, der im kommenden Jahr nach Wien
wechselt. Volpi war bis zum Jahr 2017 als Hauschoreograf am
Stuttgarter Ballett engagiert. Als solcher punktete er mit Stücken
wie "Krabat" und "Tod in Venedig" beim Publikum. Trotzdem trennte
sich der Stuttgarter mehr...
- Westfalen-Blatt: Kommentar zu Joachim Löw Bielefeld (ots) - Sehr vorsichtiges, gewundenes Verhalten,
Taktieren in einer heiklen Situation: Mit diesen Worten definiert der
Duden den Begriff »Eiertanz«. Einen solchen habe er unbedingt
vermeiden wollen im Umgang mit seinen Weltmeistern Müller, Hummels,
Boateng, betonte Joachim Löw am Freitag. Kann man so sehen, muss man
nicht. Immerhin hat der Bundestrainer ein Dreivierteljahr gebraucht,
um nach der desaströsen WM zum Radikalschnitt anzusetzen. Endlich,
sagen die einen. Unglaublich, sagen die anderen. Die Ergebnisse
werden mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Alles rund um die Kultur
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
Pinocchio erreicht Gold in Deutschland mit Top-3-Hit "Klick Klack" - "Mein Album!" erscheint am heutigen Tag - Neue Single "Pinocchio in Moskau (Kalinka)" folgt am 17. März
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|