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Nach rbb exklusiv-Recherchen: Kulturstaatsministerin distanziert sich von der Zahl der Grenztoten - Korrektur nach unten

Geschrieben am 10-04-2019

Berlin (ots) - Die Zahl der 327 "Todesopfer des DDR-Grenzregimes
an der innerdeutschen Grenze", die 2017 erstmals in einer Studie
veröffentlicht wurde, will Kulturstaatsministerin Monika Grütters
(CDU) nicht mehr nennen. Das machte sie am Dienstagabend während
einer Podiumsdiskussion deutlich. Ihre Distanzierung sei Folge einer
Überprüfung durch ihr Haus und andere Wissenschaftler, so Grütters.
Strittige Fälle wurden dabei herausgenommen. Aber: "Mindestens 140
Mauertote an der innerdeutschen Grenze werden von den meisten
Wissenschaftlern anerkannt", sagt Grütters in einem Bericht, der am
Mittwoch (10.4.2019) im ARD-Mittagsmagazin ausgestrahlt wurde.

In Auftrag gegeben wurde die Studie, die 650.000 Euro gekostet
hat, 2012 vom damaligen Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU).
2017 stellte Grütters das Handbuch vor, gemeinsam mit den beiden
Autoren Prof. Klaus Schroeder und Dr. Jochen Staadt vom
Forschungsverbund SED-Staat der FU Berlin. "Es ist eine valide Zahl,
die wir jetzt ermittelt haben", sagte Staadt bei der Präsentation.
Die Zahl der 327 Mauertoten ging danach um die Welt.

Entbrannt ist die Diskussion darüber durch eine einjährige
Recherche des ARD-Mittagsmagazins. Im November 2018 zweifelten
Reporter der Sendung, die vom rbb produziert wird, mindestens 50
Fälle an: Beispielsweise zählt die Studie auch Offiziere, die Suizid
begingen, zu den Todesopfern des DDR-Grenzregimes. Fragwürdig ist
etwa der Umgang der Studie mit dem Fall Hans S., einem Major der
Nationalen Volksarmee, der sich 1988 nach einem Dienstgespräch selbst
erschoss. Aus den Akten geht hervor, dass Hans S. jahrelang ein
Alkoholproblem hatte. Aufgrund dessen gab es auch berufliche
Verfehlungen. Die Studie führt Hans S. unter anderem deswegen als
"Todesopfer des DDR-Grenzregimes" auf. Nach Recherchen des
ARD-Mittagsmagazins gibt es allerdings Hinweise darauf, dass er als
Täter eingeordnet werden kann. So soll er für die Staatssicherheit
spioniert und Spitzel angeleitet haben, die wiederum Flüchtlinge
verrieten.

Die Autoren der Studie widersprachen damals den Recherchen des
rbb. Einer Einladung zur Podiumsdiskussion am Dienstag waren die
Autoren nicht gefolgt. Auch auf Anfragen des Mittagsmagazins zur
aktuellen Diskussion haben sie bislang nicht reagiert.

Auf dem Podium vertrat Maria Nooke, Landesbeauftragte für
DDR-Unrecht Brandenburg eine eindeutige Haltung: "Ich finde an der
Studie problematisch, dass da Fälle mit einander vermischt werden,
die einfach nicht dazu gehören. So dass zum Beispiel Grenzoffiziere,
die sich aufgrund einer schwierigen Lebenssituation, weil sie
alkoholisiert sind, oder weil sie gerade Probleme im Grenzdienst
haben, sich das Leben nehmen. Die kann ich nicht gleich setzen mit
Flüchtlingen, die an der Grenze erschossen werden oder von Minen
zerfetzt werden."

Der Historiker Christian Sachse forderte als Vertreter der
Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft: "Ich denke, die
Studie muss noch mal gründlich überarbeitet werden, Täter und Oper
müssen methodisch sauber getrennt werden."

Auch Monika Grütters wünscht sich eine Fortsetzung der
wissenschaftlichen Diskussion.



Pressekontakt:
Rundfunk Berlin-Brandenburg
ARD-Mittagsmagazin
Tel.: 030 - 97993 - 55504
mima@rbb-online.de
www.mittagsmagazin.de

Original-Content von: Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), übermittelt durch news aktuell


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