Mittelbayerische Zeitung: Kungeln mit Kim
Beim Treffen in Wladiwostok hofiert Putin den "Rocket Man". Damit will der Kremlchef den Lieblingsfeind USA ärgern - und eine klare Botschaft an China senden.
Geschrieben am 25-04-2019 |
Regensburg (ots) - Kremlchef Wladimir Putin trifft Kim Jong Un,
den nordkoreanischen "Rocket Man", wie Donald Trump ihn getauft hat.
Die Bilder des Gipfeltreffens in der russischen Fernostmetropole
Wladiwostok gingen gestern um den Globus. Über konkrete Ergebnisse
dagegen wurde wenig bekannt. Intensiv seien die Gespräche gewesen,
erklärten die beiden Staatenlenker im Stil zweier Fußballtrainer, die
ein kampfbetontes 0:0 gesehen haben. Tatsächlich war die Gipfelbilanz
die Aufregung eher nicht wert. Weder bei der nuklearen Abrüstung noch
in Wirtschaftsfragen oder mit Blick auf das internationale
Sanktionsregime gegen Nordkorea gab es erkennbare Fortschritte.
Allerdings war ein bilateraler Durchbruch gar nicht das Ziel des
Treffens. Putin und Kim wissen, dass sich die Koreafrage nur
international lösen lässt, unter Einbeziehung des Südens, vor allem
aber unter Federführung der USA und Chinas. In Wirklichkeit hatten
die beiden starken Männer aus strukturell eher schwachen Staaten vor
allem ein Ziel: Sie wollten auf der Weltbühne Präsenz zeigen. Die
Bilder waren die Botschaft, und sie sollten besagen: Seht her, wir
sind handlungsfähig. Wir brauchen euch Amerikaner, Chinesen und
Südkoreaner zwar. Aber ihr braucht uns ebenso. Für Kim ist der oft
erprobte Ansatz, irgendeine Art von Macht zu demonstrieren,
existenziell. Er hat wenig zu verlieren. Also führt er am liebsten
seine nuklearen Folterinstrumente vor, stets versichernd, dass er
bereit ist, sie einzusetzen. Und wenn man die Führung in Washington
nicht nur mit Raketen ärgern kann, sondern auch mit einer neuen
Russland-Politik, dann tut er es. Was aber treibt Wladimir Putin
dazu, ausgerechnet Kim zu hofieren? Wobei das Wort "hofieren"
durchaus keine Übertreibung ist, denn es war der Kremlchef, der, ganz
gegen seine Gewohnheit, wieder und wieder auf ein Treffen gedrängt
hat. Keine Frage: Auch Putin will zuallererst die Amerikaner ärgern.
Die USA sind in Russland nach dem Ende des Kalten Krieges schnell
wieder zum Lieblingsfeind Nummer eins aufgestiegen. Sich mit den USA
messen, so lautet die Kreml-Devise des 21. Jahrhunderts, heißt
Weltmacht sein. Allerdings gehörte die Nordkorea-Frage, ähnlich wie
die Afghanistan-Strategie, lange Zeit zu jenen Politikbereichen, die
außerhalb des wiederbelebten Ost-West-Konflikts lagen. Moskau und
Washington kooperierten dort, oft auch unter dem Radar der
Öffentlichkeit, weil die Bedrohung durch atomare Aufrüstung und
Taliban-Terror für beide Seiten Priorität hatte. Das galt sogar zu
den Hochzeiten der Ukraine-Krise und des Syrien-Krieges.
Verabschiedet sich Putin nun von diesem informellen Konsens? Davon
ist kaum auszugehen. Die Nichtergebnisse des Treffens in Wladiwostok
belegen vielmehr, dass die Führung in Moskau am Sanktionsregime gegen
Nordkorea festhält. Putin ließ ungewohnt bescheiden wissen, man wolle
den Amerikanern und den Koreanern doch nur helfen,
zueinanderzufinden. Dann stieß er mit Kim an und flog weiter nach
Peking, um an einer Konferenz über Chinas Pläne für eine "Neue
Seidenstraße" teilzunehmen. Genau dort aber, in Peking, dürfte der
entscheidende Grund für Putins intensivierte Korea-Politik zu suchen
sein. Um das zu verstehen, reicht der Hinweis auf Chinas rasant
wachsenden globalen Einfluss und seine ökonomische Stärke nicht aus.
Vielmehr geht es um Russlands eigene Rolle als eurasische Großmacht.
Das ist ein geopolitischer, aber auch historisch-kultureller Faktor,
der aus europäischer Perspektive oft zu gering geschätzt wird. Der
Stadtname Wladiwostok bedeutet: "Beherrsche den Osten!" In dieser
Region politisch ein entscheidendes Wort mitreden zu können, gehört
zur russischen Staatsräson, seit die Kosaken unter Iwan dem
Schrecklichen nach Sibirien vordrangen. Putin kann schlicht nicht
zulassen, dass China dort zur Hegemonialmacht aufsteigt. Also kungelt
er mit Kim.
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Mittelbayerische Zeitung
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