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Börsen-Zeitung: Voreiliger Abgesang / Kommentar zur Konjunkturentwicklung in der Eurozone von Mark Schrörs

Geschrieben am 30-04-2019

Frankfurt (ots) - Wer hätte das gedacht? Die Euro-Wirtschaft ist
doch noch zu positiven Überraschungen fähig. Mit 0,4% fiel das
Wachstum zu Jahresbeginn doppelt so stark aus wie Ende 2018 und sogar
noch etwas kräftiger als von den meisten Experten prognostiziert. Nun
macht eine Wachstumsschwalbe sicher noch keinen Konjunktursommer.
Aber die Schwanengesänge auf die Euro-Wirtschaft, die zuletzt selbst
in der Europäischen Zentralbank (EZB) zu vernehmen waren, entpuppen
sich doch als verfrüht und übertrieben.

In den vergangenen Monaten konnte man mitunter den Eindruck
bekommen, Euroland stehe erneut am (wirtschaftlichen) Abgrund. Dieser
Pessimismus war aber ebenso überzogen wie die vorherige
Konjunktureuphorie, als noch Anfang 2018 viele dachten, es könne auf
Dauer so weitergehen wie im Rekordjahr 2017. Der anhaltende
Beschäftigungsaufbau, anziehende Löhne, weiterhin lockere
Finanzierungsbedingungen - das alles stützt die Euro-Wirtschaft nach
wie vor und macht sie widerstandsfähig(er) gegen all die Risiken von
außerhalb. Die Gefahr einer Rezession ist aktuell gering. Bei aller
nötigen Vorsicht bei den neuen Daten: Vieles spricht dafür, dass die
Wirtschaft weiter wächst - wenn auch nicht so fulminant wie anno
2017.

Das heißt aber auch nicht, dass nun alles gut ist - im Gegenteil!
Die Handelskonflikte samt drohender US-Strafzölle auf EU-Autos und
das Brexit-Desaster schweben weiter wie ein Damoklesschwert über der
Euro-Wirtschaft. Alle Beteiligten müssen Ruhe und Vernunft bewahren
und diese Risiken schnellstmöglich im positiven Sinne auflösen. Dazu
kommen hausgemachte Probleme wie das aberwitzige Regierungsgebaren in
Italien oder der Stillstand bei der Reform der Währungsunion. Die
Euro-Politik muss aufhören, sich im Notfall stets hinter der EZB zu
verstecken, und endlich ihrer Verantwortung gerecht werden. Dazu
gehören auch entschlossene Strukturreformen in allen Ländern - statt
Reformrollen rückwärts - und mehr Investitionen in die Zukunft. Nur
so lässt sich mehr wirtschaftliche Dynamik entfesseln und dauerhaft
höheres Wachstum erreichen.

Und die EZB? Anfang März hat sie bereits mit einer Verschiebung
der Zinswende bis mindestens ins Jahr 2020 hinein und neuen
Geldspritzen für die Banken auf die Konjunkturschwäche reagiert. Es
lässt sich streiten, ob das - zumal zu dem frühen Zeitpunkt - nötig
war. In jedem Fall aber besteht jetzt kein Grund, die ohnehin
ultraexpansive Geldpolitik erneut stark zu lockern. Aktionismus ist
nun genauso wenig angezeigt wie Alarmismus und ein voreiliger
Abgesang auf die Euro-Wirtschaft.

(Börsen-Zeitung, 01.05.2019)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

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