BERLINER MORGENPOST: Die Taktik ist aufgegangen / Leitartikel von Alexander Dinger zum 1. Mai in Berlin
Geschrieben am 02-05-2019 |
Berlin (ots) - Kurzform: Auch in diesem Jahr ist der 1. Mai in
Berlin weitestgehend friedlich geblieben. Das hängt auch mit einer
nahezu perfekten Polizeitaktik zusammen. Die Berliner Behörde agierte
hoch professionell und wie aus dem Lehrbuch. Legt man die
Krawall-Statistiken übereinander, ist das bereits der dritte in
weiten Teilen friedliche 1. Mai unter Innensenator Andreas Geisel
(SPD). Das hat vor ihm kein anderer Berliner Innensenator geschafft.
Und nach ihrer bestandenen Bewährungsprobe im vergangenen Jahr, als
Polizeipräsidentin Barbara Slowik erst neu im Amt war, ist der
diesjährige friedliche Verlauf der Mai-Demonstrationen auch ihr
Erfolg.
Der vollständige Leitartikel: Auch in diesem Jahr ist der 1. Mai
in Berlin weitestgehend friedlich geblieben. Das hängt auch mit einer
nahezu perfekten Polizeitaktik zusammen. Die Berliner Behörde agierte
hoch professionell und wie aus dem Lehrbuch. Zu unschönen Szenen kam
es lediglich am Ende der sogenannten Revolutionären 1.
Mai-Demonstration ab 18 Uhr an der Warschauer Brücke. Vor allem die
Ausgangslage war schwierig. Über die Jahre hat sich das Geschehen am
1. Mai extrem entzerrt. Die Einsatzleitung muss von der Demonstration
in Grunewald mit Tausenden Teilnehmern über das Myfest in Kreuzberg
mit Zehntausenden Menschen bis zur 18-Uhr-Demonstration mit Hunderten
Autonomen ziemlich viel im Blick behalten. Das ist anspruchsvoll und
schwieriger, als es aussieht. Beim 1. Mai denken viele an
Ausschreitungen. Die Polizei hat aber viel mehr zu bedenken. Dazu
gehört zum Beispiel, die Menschenmassen intelligent durch Kreuzberg
zu schleusen und eine Panik zu verhindern. Und dazu gehört auch die
Einschätzung einer hohen abstrakten terroristischen Bedrohungslage,
die nach wie vor existiert. Bei der 18-Uhr-Demonstration konnte man
schließlich sehen, wie die Polizei ihre Einsatztaktik perfektioniert
hat. Vorbei sind die Zeiten der 80er- und 90er-Jahre, als die
Einsatzkräfte mit vergitterten Fahrzeugen und behelmten Beamten sich
Straßenschlachten mit Autonomen lieferten. Heute stehen die Zeichen
voll und ganz auf Deeskalation. Es wäre früher undenkbar gewesen,
dass die Demonstration vorbei an Szeneobjekten wie der Rigaer Straße
94 nahezu ohne Polizeibegleitung durch Friedrichshain zieht. Zu
ruppigen Szenen kam es am Mittwoch lediglich am Ende der
Veranstaltung an der Warschauer Brücke. Das hängt mit einem zweiten
Teil der Berliner Polizeitaktik zusammen: den beweissicheren
Festnahmen. Das bedeutet: Die Demonstranten können zwar laufen. Wer
aber Straftaten begeht, wird am Ende herausgezogen und festgenommen.
Das war auch dieses Mal so. Die Polizei ging konsequent gegen
Straftäter vor und holte sie aus der Menge heraus. Erschwert wurde
das Vorgehen durch zahlreiche Betrunkene und ganz gewöhnliches
Partypublikum, das sich freute, dass es "jetzt endlich losgeht" und
an den unsäglichen "Ganz Berlin hasst die Polizei"-Rufen. Viele
Menschen hatten die Demonstration zu diesem Zeitpunkt bereits
verlassen. Die aufgeheizte Stimmung führte wiederum zu zunehmend
gereizten Polizeibeamten. Es gibt Videoaufnahmen von Polizisten, die
friedliche Demonstranten rabiat zur Seite schubsen. Dies wird man
auswerten müssen. Das war ganz sicher nicht im Sinne der
Polizei-Einsatzleitung, die in internen Anweisungen die Einsatzkräfte
zu unbedingter Zurückhaltung aufgefordert hatte. Nicht im Sinne der
Polizeiführung war auch der Endpunkt der Demonstration. Am Fuß der
Warschauer Brücke entstand eine Kesselsituation. Die Polizei ließ
niemanden in Richtung Kreuzberg oder anfangs in die Seitenstraßen. So
standen Tausende Demonstranten und wussten nicht wo lang. Dass die
Demonstration dazu auf einem Gleisbett mit lockeren Steinen endete,
wäre früher undenkbar gewesen. Legt man die Krawall-Statistiken
übereinander, ist das bereits der dritte in weiten Teilen friedliche
1. Mai unter Innensenator Andreas Geisel (SPD). Das hat vor ihm kein
anderer Berliner Innensenator geschafft. Und nach ihrer bestandenen
Bewährungsprobe im vergangenen Jahr, als Polizeipräsidentin Barbara
Slowik erst neu im Amt war, ist der diesjährige friedliche Verlauf
der Mai-Demonstrationen auch ihr Erfolg.
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BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 - 878
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