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Jährlich 50 Milliarden Euro Schaden durch Umsatzsteuerkarusselle: Recherchen des ZDF-Magazins "Frontal 21" gemeinsam mit 34 europäischen Medien (FOTO)

Geschrieben am 07-05-2019

Mainz (ots) -

Organisierte Verbrecherbanden nutzen den europäischen Markt für
erneuerbare Energien, um im großen Stil Steuerbetrug zu begehen.
Europäische Finanzbehörden haben deshalb eine dringende Warnung vor
der Betrugsmasche ausgegeben. Deutschland blockiert eine effektive
Bekämpfung solcher und anderer sogenannter Umsatzsteuerkarusselle,
die Kriminelle nutzen, um Steuergelder zu rauben. Dabei beläuft sich
der Schaden nach Schätzung der EU-Kommission auf jährlich 50
Milliarden Euro. Das haben gemeinsame Recherchen von 35
Medienpartnern aus 30 europäischen Ländern ergeben, koordiniert durch
das gemeinnützige Recherchezentrum CORRECTIV.

Das Rechercheprojekt begann mit einem Datensatz, der dem
ZDF-Magazin "Frontal 21" zugespielt wurde. CORRECTIV bereitete die
Daten auf, brachte das europäische Netzwerk zusammen und koordinierte
dessen Arbeit. Insgesamt 63 Journalisten und Journalistinnen werteten
315.000 Seiten an vertraulichen Unterlagen aus und führten Hunderte
Interviews. Die Ergebnisse dieser mehrmonatigen Zusammenarbeit werden
unter dem Titel "Grand Theft Europe" europaweit veröffentlicht.

Allein in Deutschland soll durch Umsatzsteuerkarusselle jährlich
ein Schaden von schätzungsweise fünf bis 14 Milliarden Euro
entstehen. Genaue Zahlen kennt das Bundesfinanzministerium nicht:
"Weder bei den Ländern noch beim Bund werden statistische
Aufzeichnungen dazu geführt", sagte ein Sprecher des
Bundesfinanzministeriums. Das Geld deutscher Steuerzahler gehe an
Kriminelle, betonte Pedro Seixas Felicio, Abteilungsleiter
Wirtschaftskriminalität bei der europäischen Polizeibehörde Europol.
"Es geht an Banden der Organisierten Kriminalität. Was schlimm ist,
weil die investieren das Geld in neue Verbrechen."

Hessischer Finanzmister fordert deutsche Beteiligung an
Frühwarnsystem TNA

Nach Recherchen der Journalistenkooperation "Grand Theft Europe"
blockiert Deutschland einen effektiven Kampf gegen
Umsatzsteuerbetrug. Neben Großbritannien ist Deutschland das einzige
EU-Land, das nicht aktiv am sogenannten TNA-Verfahren teilnimmt. TNA
(Transactional Network Analysis) ist ein Betrugs-Frühwarnsystem, das
mithilfe künstlicher Intelligenz grenzüberschreitenden
Umsatzsteuerbetrug schneller entdecken kann. "Beim Punkt TNA würden
wir uns natürlich wünschen, dass die nationale Ebene engagierter
vorangeht", sagte Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU). Beim
Kampf gegen Umsatzsteuerkarusselle müsse "mehr Dynamik rein, mehr
auch politischer Fokus an der Spitze des Bundesfinanzministeriums auf
genau diese Betrügereien." Das Bundesfinanzministerium prüft nach
eigenen Angaben gemeinsam mit den Ländern eine Teilnahme am
Frühwarnsystem TNA.

EU-Finanzkommissar Moscovici: "Der Betrug ist moralisch und
ethisch inakzeptabel"

Seit der Einführung des europäischen Mehrwertsteuersystems im Jahr
1993 rauben Betrüger mit Umsatzsteuerkarussellen die Staatskassen
aus. Das Problem wurde früh von Steuerbehörden erkannt, aber es ist
nie gelungen, der Betrugsmasche nachhaltig einen Riegel
vorzuschieben. Die EU-Mitgliedsstaaten würden sich "rigoros dagegen
wehren, auch nur ein Quäntchen ihrer Steuerhoheit abzugeben", sagte
Pierre Moscovici, EU-Kommissar für Wirtschaft, Finanzen, Steuern und
Zoll. Nur wenn die Nationalstaaten mehr kooperierten, könne
Umsatzsteuerbetrügern das Handwerk gelegt werden. "Wir müssen in
diese Richtung, hier geht das Geld der Steuerzahler verloren, der
Betrug ist moralisch und ethisch inakzeptabel", so der EU-Kommissar.

Bislang handelten die Betrüger unter anderem mit Mobiltelefonen,
Spielekonsolen, Kupferkathoden oder mit Zertifikaten auf CO2-Ausstoß.
Dabei werden die Produkte oft nur auf dem Papier grenzüberschreitend
im Kreis bewegt, um sich Umsatzsteuern vom Finanzamt ausbezahlen zu
lassen und dann mit dem Steuergeld zu verschwinden. Der Schaden durch
Umsatzsteuerbetrug beträgt allein mit CO2-Zertifikaten rund sieben
Milliarden Euro.

Neue Betrugsmasche Ökostromzertifikate/Deutschland besonders
betroffen

Nach Recherchen der Journalistenkooperation "Grand Theft Europe"
drängen Betrüger mittlerweile auf den Markt mit erneuerbaren Energien
und nutzen für ihre Umsatzsteuerkarusselle auch Ökostrom-Zertifikate.
"Das Phänomen ist ernst, wir gehen davon aus, dass
Ökostrom-Zertifikate in der gesamten EU für den organisierten
Umsatzsteuerbetrug eingesetzt werden", sagte Hans Christian Holte,
Leiter der Steuerbehörde Norwegens. Jeder Stromanbieter, der Ökostrom
verkauft, muss zuvor Ökostromzertifikate kaufen, etwa von einem
Wasserkraftwerk oder einem Windpark. Diese Zertifikate sind handelbar
und sehr anfällig für Umsatzsteuerkarusselle.

Das Umweltbundesamt kündigte an, eine internationale Taskforce
gemeinsam mit der europäischen Polizeibehörde Europol gründen zu
wollen. Diese Taskforce soll helfen, die neuen Karussellgeschäfte zu
bekämpfen. In Deutschland prüft das Umweltbundesamt die Registrierung
der Händler. "Auffällige Anträge haben wir bereits an die
Koordinierungsstelle für Umsatzsteuerbekämpfung beim Bundeszentralamt
für Steuern gemeldet", sagte Elke Mohrbach, zuständig für das
Herkunftsnachweisregister bei der Behörde.

Die norwegischen Steuerbehörden gehen davon aus, dass hinter der
neuen Betrugswelle teilweise dieselben Hintermänner stecken wie beim
Betrug mit CO2-Zertifikaten. Vom Steuerbetrug mit
Ökostromzertifikaten sind vor allem Länder mit hohem Anteil an
erneuerbaren Energien bedroht, also Deutschland, Österreich,
Dänemark, Schweden, die Niederlande, Spanien und Norwegen. Um sich
gegen die neue Betrugsmasche zu wappnen, haben bereits sechs
EU-Länder (Rumänien, Österreich, Dänemark, Italien, Tschechien und
Irland) Ökostrom-Zertifikate beim Handel zwischen Unternehmen von der
Umsatzsteuer befreit. Deutschland hat noch keine derartige Vorsorge
getroffen.

Die Ergebnisse der Recherchen werden auf der Webseite
www.grand-theft-europe.com zusammengeführt. Neben Links zu
Veröffentlichungen aller Medienpartner und einem FAQ zu
Umsatzsteuerkarussellen finden sich dort weitere Hintergründe. Das
Recherchenetzwerk "Grand Theft Europe" bleibt bestehen und wird sich
weiter mit Umsatzsteuerbetrug in Europa beschäftigen.

Das ZDF-Magazin "Frontal 21" sendet die Dokumentation "Der große
Betrug - Wie Kriminelle und Terroristen Europa plündern" am Dienstag,
7. Mai 2019, 21.00 Uhr. In den Sozialen Medien werden die Recherchen
unter dem Hashtag #GrandTheftEurope präsentiert.


Ansprechpartner: ZDF-Redaktion "Frontal 21", Hans Koberstein,
Telefon: 0170-784 6677, Christian Rohde, Telefon: 030 - 2099-1251.

Fotos sind erhältlich über ZDF Presse und Information, Telefon:
06131 - 70-16100, und über
https://presseportal.zdf.de/presse/frontal21

Pressemitteilung zur "Frontal 21"-Doku: https://ly.zdf.de/lhJu/

"Frontal 21" in der ZDFmediathek: https://frontal21.zdf.de

https://twitter.com/ZDFpresse



Pressekontakt:
ZDF Presse und Information
Telefon: +49-6131-70-12121

Original-Content von: ZDF, übermittelt durch news aktuell


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