Börsen-Zeitung: Wette auf politische Hilfe,
Kommentar zu VW von Carsten Steevens
Geschrieben am 14-05-2019 |
Frankfurt (ots) - Volkswagen hat sich für den noch am Anfang
stehenden Umstieg von Verbrennerantrieben zur Elektromobilität zum
Aufbau einer eigenen Batteriezellfertigung entschieden. Kurz vor dem
Produktionsstart des "ID.3", dem ersten E-Fahrzeug auf Basis des
modularen Elektrifizierungsbaukastens, hat der Beschluss des
weltgrößten Autobauers, eine Batteriezellfertigung in Salzgitter
anzusiedeln, Signalwirkung - mit Blick auf die künftige Rolle der
Autoindustrie für den Wirtschaftsstandort und auf weiterhin
vollständige Wertschöpfungsketten in der Fahrzeugproduktion. Bei der
Batterie geht es um die Komponente mit dem höchsten
Wertschöpfungsbeitrag in Elektroautos.
Ob sich Zellfertigung in Deutschland wirtschaftlich betreiben
lässt, ist aber ungewiss. Daimler und BMW haben bislang keinen Anlass
gesehen, selbst solche Zellen herzustellen. Verwiesen wird auf den
Vorsprung asiatischer Hersteller zumindest bei
Lithium-Ionen-Batterien. Der Stuttgarter Autobauer gab 2015 eine
Batteriezellfertigung in Kamenz wegen Unwirtschaftlichkeit auf. Ihren
Bedarf für die nächsten Jahre decken die Hersteller, auch VW, über
Zulieferer. BMW etwa hat einen Liefervertrag mit dem chinesischen
Anbieter CATL geschlossen, der in Erfurt eine Fabrik baut.
Wo weltweit Standorte für die Zellproduktion entstehen werden, ist
noch offen. In Osteuropa wird mit niedrigeren Löhnen und
Energiekosten sowie Subventionen um Investoren geworben. Dass sich
Stephan Weil, als Ministerpräsident von Niedersachsen für das mit 20
Prozent an VW beteiligte Bundesland Mitglied im Aufsichtsrat des
Wolfsburger Konzerns, um einen fairen Standortwettbewerb und für eine
Zellproduktion an heimischen Standorten einsetzt, liegt in Anbetracht
des Wegfalls einer Vielzahl von Arbeitsplätzen durch den Abschied von
Verbrennerantrieben auf der Hand. So ist die Zusage für eine
Batteriezellfertigung in Niedersachsen vor allem als ein Zugeständnis
an den zweitgrößten VW-Eigentümer und die mächtige
Arbeitnehmervertretung zu verstehen.
Ohne die Senkung von Stromnebenkosten, eine Befreiung von der
EEG-Umlage, die Gewährung von Sonderabschreibungen und Steuervorteile
dürfte die Batteriezellfertigung in Deutschland für die
Autohersteller kaum wirtschaftlich werden. Einen
Subventionswettbewerb um die Standortansiedlung in Europa müsste die
EU-Kommission unterbinden. Mit ihrem Beschluss sind die Wolfsburger
eine Wette auf starke politische Förderung eingegangen.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
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