"Deutschland ist ein demokratischer, sozialer und weltanschaulich neutraler Bundesstaat" - Giordano-Bruno-Stiftung fordert Erweiterung von Artikel 20 des Grundgesetzes (FOTO)
Geschrieben am 21-05-2019 |
Karlsruhe (ots) -
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in den 1960er Jahren
darauf hingewiesen, dass der Staat nur dann eine "Heimstatt aller
Bürger" sein kann, wenn er das Gebot der weltanschaulichen
Neutralität beachtet. Deshalb fordert die Giordano-Bruno-Stiftung
eine entsprechende Klarstellung in Artikel 20 des Grundgesetzes.
Demnach sollen in dem Artikel künftig nicht nur die Prinzipien der
Demokratie, des Sozialstaatsprinzips und des Föderalismus Erwähnung
finden, sondern auch das Prinzip der weltanschaulichen Neutralität
des Staates.
"Nur ein Staat, der niemanden aufgrund seiner religiösen oder
nichtreligiösen Weltanschauung privilegiert oder diskriminiert, kann
die Freiheit und Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger und somit
die Einhaltung der Menschenrechte garantieren", erläutert Michael
Schmidt-Salomon, Philosoph und Vorstandssprecher der
Giordano-Bruno-Stiftung. "Wir können uns glücklich schätzen, dass das
Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates in der deutschen
Verfassung so fest verankert ist, beispielsweise in den Artikeln 1
bis 4 sowie in Artikel 140 des Grundgesetzes. Bedauerlicherweise aber
wird dieses Neutralitätsgebot im Verfassungstext bislang nicht
explizit erwähnt, was zur Folge hat, dass es trotz seiner
fundamentalen Bedeutung für den Rechtsstaat oft übersehen wird."
Aus diesem Grund fordert die Giordano-Bruno-Stiftung, Artikel 20
Absatz 1 des Grundgesetzes entsprechend zu ergänzen. Statt: "Die
Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer
Bundesstaat" soll es nach dem Vorschlag der Stiftung heißen: "Die
Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer, sozialer und
weltanschaulich neutraler Bundesstaat". "Eine solche Erweiterung des
Wortlauts von Artikel 20 würde nichts an der inhaltlichen Ausrichtung
des Grundgesetzes ändern, aber sie könnte vielleicht verhindern, dass
Politikerinnen und Politiker weiterhin Gesetze beschließen, die durch
die Privilegierung religiöser Glaubensvorstellungen gegen das
Neutralitätsgebot verstoßen", sagt Schmidt-Salomon, der in diesem
Zusammenhang u.a. auf die deutsche Gesetzgebung zum
Schwangerschaftsabbruch (§§ 218-219a StGB) sowie zur Sterbehilfe
(§217 StGB) hinweist.
Wie sehr das Neutralitätsgebot im politischen Alltag missachtet
wird, belegt eine im Februar 2019 gehaltene Rede von
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek zur Künstlichen Intelligenz.
Dort heißt es: "Wir lassen uns von unserem christlichen Menschenbild
leiten. Jeder technologische Fortschritt hat sich dahinter
einzureihen." Nachdem die "heute-show" über diesen Missgriff der
Bildungsministerin gespottet hatte, versuchte FAZ-Redakteur Thomas
Thiele die umstrittene Aussage der Ministerin damit zu rechtfertigen,
dass Karliczek nun einmal Vertreterin einer "C-Partei" sei und man es
"einer sozialdemokratischen Bildungsministerin schließlich auch nicht
übelgenommen [hätte], wenn diese angekündigt hätte, den Einsatz von
Künstlicher Intelligenz sozial zu gestalten".
Auch wenn dieses Argument im ersten Moment plausibel klingen möge,
verstoße es diametral gegen die Vorgaben der Verfassung, führt
Michael Schmidt-Salomon aus: "Allem Anschein nach war dem
FAZ-Redakteur gar nicht bewusst, dass die Bundesrepublik Deutschland
zwar ein sozialer, aber kein christlicher Bundesstaat ist! Deshalb
können staatliche Regelungen zwar bestens mit dem
Sozialstaatsprinzip, niemals aber mit dem Christentum begründet
werden! Wir begegnen diesem Irrtum leider häufig in der Politik, der
Justiz und den Medien. Deshalb scheint es uns geboten zu sein, dem
bislang nur implizit in der Verfassung verankerten Gebot der
weltanschaulichen Neutralität durch eine explizite Erwähnung in
Artikel 20 des Grundgesetzes die Bedeutung zu verschaffen, die es
verdient. Denn: Nur ein Staat, der als Unparteiischer auf dem
Spielfeld der Religionen und Weltanschauungen auftritt, ein Staat
also, der niemanden bevorteilt oder benachteiligt, besitzt die
erforderliche Glaubwürdigkeit, um die für alle geltenden Spielregeln
durchzusetzen. Das Prinzip ist denkbar einfach: Wer nicht will, dass
sich Muslime über Grundrechte hinwegsetzen, darf es auch Christen
nicht erlauben."
Den meisten Menschen, so Schmidt-Salomon, sei das Gebot der
weltanschaulichen Neutralität überhaupt nicht bekannt, geschweige
denn, dass sie wüssten, wie wichtig es sei, um die Freiheit und
Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger zu garantieren. Dies hätten
viele Gespräche im Rahmen der Säkularen Buskampagne gezeigt, die in
diesen Tagen durch Deutschland tourt, um für die konsequente Trennung
von Staat und Religion zu werben. Am 22. Mai wird die Kampagne in
Karlsruhe Halt machen, um am Ort des Bundesverfassungsgerichts in den
70. Geburtstag des Grundgesetzes hinein zu feiern.
Dass die Buskampagne am Mittwoch zeitgleich mit Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier in Karlsruhe verweilen wird, ist natürlich
kein Zufall. Denn das Verfassungsjubiläum war ein entscheidender
Grund dafür, die Säkulare Buskampagne im Mai 2019 überhaupt
durchzuführen, wie Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon verrät:
"Deutschland hatte 1949 das Glück, wesentliche Teile der 1948
verabschiedeten UN-Menschenrechtserklärung in seine Verfassung
aufnehmen zu können. Das deutsche Grundgesetz war daher nicht bloß
seiner Zeit voraus, es ist selbst unserer Zeit noch voraus!
Tatsächlich hinkt das Staatsverständnis nicht weniger Vertreterinnen
und Vertreter der Politik, der Justiz und der Medien der Verfassung
noch immer hoffnungslos hinterher, vor allem im Hinblick auf die
Durchsetzung der Freiheit und Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger
unabhängig von ihrer Religion oder Weltanschauung. Auf diesem Gebiet
ist also noch immer viel Aufklärungsarbeit zu leisten - und dazu
möchten wir mit der Säkularen Buskampagne einen kleinen, bescheidenen
Beitrag leisten..."
https://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/artikel-20-gg
Pressekontakt:
Elke Held / Dr. Michael Schmidt-Salomon,
https://www.giordano-bruno-stiftung.de/content/pressekontakt
Original-Content von: Giordano Bruno Stiftung, übermittelt durch news aktuell
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