Börsen-Zeitung: Zwei Welten / Kommentar zur Hauptversammlung der Deutschen Bank von Bernd Wittkowski
Geschrieben am 23-05-2019 |
Frankfurt (ots) - Als Besucher der Hauptversammlung der Deutschen
Bank wähnt man sich über weite Strecken im falschen Film. Da wird
eine formidable Erfolgsgeschichte erzählt: alle Finanzziele für 2018
erreicht, die Skeptiker mit konsequenten Kostensenkungen überrascht
und die eigene Vorgabe für den Verwaltungsaufwand sogar unterboten,
mit der harten Kernkapitalquote in der Spitzengruppe der Branche, die
Bilanz von so guter Qualität wie selten zuvor, die Rechtsrisiken
erheblich reduziert. Dies ist die Geschichte von einer Bank, wie sie
in der Welt des Paul Achleitner und des Christian Sewing existiert.
Aus Sicht von Aktionären spielt dieser Film - Andreas Thomae von
Deka Investment sprach von einem "Horrorfilm mit Überlänge" -
freilich in einer anderen Galaxie. Von ihrem Stern aus betrachtet,
sieht die Welt weitaus trister aus. Erkennbar zum Beispiel am
Aktienkurs, der just am Tag der Hauptversammlung zwischenzeitlich auf
ein Rekordtief von 6,35 Euro purzelte, womit ein
Deutsche-Bank-Aktionär, der schon vor zwölf Jahren dabei war,
gemessen am damaligen Höchststand um 93% enteignet worden ist -
entschädigungslos, sieht man von Würstchen und Kartoffelsalat ab,
die in der Frankfurter Festhalle gereicht wurden. Dafür braucht es
noch nicht einmal Artikel 14 des gestern 70 Jahre alt gewordenen
Grundgesetzes.
Der Aufsichtsratsvorsitzende, der sich erstmals öffentlich zu
Fehlern bekannte - was ihm sichtlich schwerfiel - und der
Vorstandschef sind sich des Widerspruchs zwischen diesen
grundverschiedenen Welten bewusst. Beide wiesen in ihren Reden darauf
hin, konnten oder wollten ihn aber nicht auflösen. Weiß "der Markt",
der angeblich immer Recht hat, oder ahnt er zumindest etwas, was dem
breiten Publikum bislang verborgen bleibt und wovon die Spitze der
Bank selbst nichts wissen will? Kommt womöglich noch ein großes
juristisches Thema auf das Haus und seine Stakeholder zu?
Von Aktionärsseite gab es schon eher Erklärungen für die nicht
kompatiblen zwei Welten der Bank: Dass diese sich "den Luxus einer
Investmentbank in der heutigen breiten Aufstellung" nicht länger
leisten könne, so Alexandra Annecke von Union Investment. Oder die
vielfach kritisierten Milliardenboni für eine bei allen
unbestreitbaren Fortschritten - zumal gemessen an den eigenen
Ansprüchen - unterm Strich doch recht erbärmliche Leistung.
Achleitner und Sewing, von den Aktionären mit bescheidenen
Ergebnissen entlastet, sollten solche hilfreichen Hinweise als klaren
und ultimativen Auftrag verstehen.
(Börsen-Zeitung, 24.05.2019)
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