Mittelbayerische Zeitung: Kükentöten aus Vernungt
Das massenhafte Täten von Eintagsküken ist bislang legal. Richtig ist es nicht. Eindeutigere Gesetze sind erforderlich. Von Katia Meyer-Tien
Geschrieben am 28-05-2019 |
Regensburg (ots) - Weiteren Beratungsbedarf gebe es, auch müsse
die Möglichkeit der Fernsehübertragung noch geprüft werden: Das
Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung darüber, ob die
massenhafte Tötung männlicher Eintagsküken rechtens ist, auf Mitte
Juni verschoben. Dabei scheint allein die Tatsache, dass das BVerwG
überhaupt darüber entscheiden muss, absurd. Schließlich hat
Deutschland ein Tierschutzgesetz, das gleich in Paragraf 1 festlegt,
dass "niemand einem Tier Schmerzen, Leid oder Schaden zufügen darf".
Allerdings mit einer Einschränkung: "ohne vernünftigen Grund". Wer
nun argumentiert, dass es gar keinen vernünftigen Grund geben kann,
jährlich 45 Millionen Tiere nur deshalb zu töten, weil sie das
falsche Geschlecht haben, hat recht. Und wird doch widerlegt durch
die bisherigen Gerichtsurteile, die zu dem Schluss kamen, dass die
Tötung männlicher Küken eben Teil der Produktion sei, die
wirtschaftlich gestaltet werden müsse, um die Bevölkerung mit Eiern
und Fleisch versorgen zu können. Das Töten von Tieren ist also
erlaubt, wenn es vernünftig ist, und vernünftig ist es, wenn es
wirtschaftlich ist. Mit den Bildern riesiger Legehennenbatterien im
Kopf fällt es leicht, sich an dieser Stelle kopfschüttelnd abzuwenden
und an Politik und Rechtsprechung zu verzweifeln. Doch wer das nicht
tut und weiterdenkt, der erkennt, warum sich das BVerwG weitere
Beratungszeit genommen hat: Denn solange es keine praktikablen
Lösungen gibt, das Geschlecht der Hühner schon im Ei zu bestimmen,
müssten bei einem Tötungsverbot jährlich 45 Millionen Hähne
untergebracht und aufgezogen werden. Das kostet nicht nur Geld, das
man ja eventuell durch deutlich höhere Eierpreise noch aufbringen
könnte. Es kostet vor allem auch Platz, Wasser, Futter, Medikamente,
die Hähne würden Kot produzieren, kurz: Der Ressourcenverbrauch wäre
enorm. Wirtschaftlichkeit misst sich nicht allein am Profit,
Wirtschaftlichkeit bedeutet auch effizienten Einsatz von Ressourcen.
Und so betrachtet ist das Töten der Tiere, so zynisch es klingt,
tatsächlich vernünftig. Allerdings funktioniert diese Logik nur
deswegen, weil Hühner heute nur noch entweder Eierlegewunder oder
schnellwachsende Fleischlieferanten sind, gezüchtet für die
Bedürfnisse der Wohlstandsgesellschaft, in der Fleisch und Eier nicht
nur verfügbar, sondern auch noch möglichst billig sein sollen. Und es
ist leicht, sich über das Kükentöten aufzuregen, aber ungleich
schwerer, dem Hähnchenschenkelsonderangebot im Discounter zu
widerstehen. Vielleicht ist die Fridays-for-Future-Bewegung ein
Zeichen für einen Bewusstseinswandel, vielleicht ist der große Erfolg
der Grünen bei der Europawahl in Deutschland tatsächlich das Signal
einer jungen Generation, die Klima-, Arten- und Tierschutz nicht nur
predigen, sondern auch leben will. Das aber kann nur dort gelingen,
wo gesamtgesellschaftlich bewusster Konsum eine artgerechte
Tierzucht- und -haltung - hier konkret zum Beispiel das
unprofitablere Zweinutzungshuhn - und eine schonende Landwirtschaft
ermöglicht. Allerdings zeigen die Erfahrungen von Gurtpflicht bis
FCKW-Verbot, dass Produzenten wie auch Konsumenten - oft trotz
besseren Wissens - ihr Verhalten erst ändern, wenn die gesetzlichen
Regelungen sie dazu zwingen. Dafür reichen schwammige Formulierungen
unter Berufung auf "die Vernunft" nicht aus. Zumal Artikel 20a des
Grundgesetzes eigentlich eindeutig ist: "Der Staat schützt auch in
Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen
Lebensgrundlagen und die Tiere (...)" . Zu formulieren, wie genau das
gelingen kann, ist die größte und drängendste Frage überhaupt. Und
das nicht nur zum Wohle der Küken.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
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