Börsen-Zeitung: Ein guter Puffer / Kommentar zur Verunsicherung auf den Märkten wegen Handelskrieg, Brexit und Golfkonflikt von Kai Johannsen
Geschrieben am 31-05-2019 |
Frankfurt (ots) - Es wird einem angst und bange, wenn Prognosen
abgegeben werden, bei denen man die Augenbrauen hochzieht und die
dann auch noch in kürzester Zeit zur Realität werden. Auf der
Jahrestagung der International Capital Market Association (ICMA) bat
Mandy DeFilippo, Chair der ICMA, Isabelle Mateos y Lago, Managing
Director und Deputy Head of Official Institutions Group bei
BlackRock, kurz die wesentlichen Treiber der internationalen
Kapitalmärkte darzustellen. Mateos y Lago fasste zusammen. Erstens:
die internationalen Handelsspannungen. Zweitens: die geopolitischen
Risiken in Europa und hier konkret der Brexit, bei dem Mateos y Lago
davon ausgeht, dass sich die Erleichterung über die
Brexit-Verlängerung in eine erhöhte Unsicherheit wandeln wird. Es sei
eine Verlängerung der Unsicherheit, da es nun zu einem größeren
Spektrum an möglichen Entscheidungen komme. Drittens: Die Golfregion
sei ein entscheidender Krisenherd, speziell die Entwicklungen um
Iran und Saudi-Arabien. DeFilippo hakte nach, wo sich Anleger
aufhalten sollten. Mateos y Lagos prompte Antwort: Staatsanleihen
seien gut. Die sicheren waren gemeint. "It is a good buffer", so
Mateos y Lago.
Und was für ein guter Puffer die sicheren Staatsanleihen in den
vergangenen 14 Tagen waren, vor allem die Bundesanleihen und die
US-Staatsanleihen. Denn es gab eine enorme Flucht in die sicheren
Häfen mit den zehnjährigen Bundrenditen auf Rekordtief. Das von
Mateos y Lago dargestellte Kapitalmarktszenario war auf einen
Horizont von mehreren Wochen bzw. einigen Monaten ausgelegt. So
schnell kann es gehen. Und alle drei Faktoren werden die Märkte
weiter in Aufruhr versetzen und die Flucht in Sicherheit noch
befeuern.
Am Freitag kam es zur nächsten Eskalationsstufe im
US-Handelsstreit. Die USA erheben Strafzölle von 5% auf Importe aus
Mexiko. Diese sollen bis Oktober jeden Monat um 5 Prozentpunkte auf
dann 25% angehoben werden. Selbstredend, dass diese extreme Maßnahme
Mexikos Wirtschaft erheblich zusetzen wird. Aber auch die USA werden
dabei Schaden nehmen. Da viele Konsumgüter der USA in Mexiko
hergestellt werden, wirken diese Zölle auf die US-Haushalte wie eine
zusätzliche Verbrauchsteuer, d.h., sie belasten den Konsumenten, der
dann weniger ausgeben kann. Das wiederum belastet die US-Konjunktur.
In Sachen Brexit kam von der Bank of England nur einen Tag vorher
- da war in vielen europäischen Ländern Christi Himmelfahrt - die
Warnung, dass selbst ein sanfter Brexit das Wachstum der britischen
Wirtschaft dämpfen wird. Dave Ramsden, stellvertretender Chef der
britischen Zentralbank, hält es selbst bei einem reibungslosen Brexit
für unwahrscheinlich, dass die Unsicherheit der Unternehmen
ausgeräumt wird. Das dürfte seiner Ansicht nach die
Investitionstätigkeit deckeln. Ihm ist durchaus recht zu geben. In
der Phase dieser erhöhten Brexit-Unsicherheit werden Firmen keine
erhöhte Investitionslust verspüren. Sie wollen ja gerade Sicherheit.
So wird allein diese Verlängerungsphase und die in dieser Zeit nicht
erfolgten Investitionen auf die Wirtschaft durchschlagen. Fragt sich
nur, in welchem Ausmaß.
Und auch in der Golfregion herrschte zum Wochenschluss keine Ruhe.
Auch wenn zu konstatieren war, dass dieser Krisenherd am Freitag
nicht gerade die Schlagzeilen beherrschte. Die Spannungen in der
Region hatten sich zuletzt verschärft, und zwar nachdem das
Iran-Atomabkommen seitens der USA gekündigt und neue Sanktionen
verhängt worden waren. Zudem hatten die USA weitere Truppen in die
Golfregion verlegt. Nun warf der Iran Saudi-Arabien vor, die Länder
der Region gegen den Iran aufbringen zu wollen.
Diese drei Brandherde werden nicht über Nacht und auch nicht in
den nächsten Wochen verschwinden. Sie werden in der Reihenfolge
Handelsstreit, Brexit-Unsicherheit und Golfregion die Marktakteure in
Atem halten. Die Verunsicherung bleibt, die hohe Nachfrage nach
Sicherheit auch. Das führt zu Kursgewinnen bei US-Staatsanleihen und
Bundesanleihen. Die zehnjährige US-Rendite ist auf dem tiefsten Stand
seit Mitte September 2017. Die zehnjährige Bundrendite erreichte mit
minus 0,213% am Freitag Rekordtief. Zur Erinnerung: Das bisherige
Rekordtief von minus 0,204% bei den Bunds wurde am 6. Juli 2016
erreicht, also in den Tagen der Nachwirren des Brexit-Votums. Trumps
Wirtschafts- bzw. Handelspolitik trug von 2017 bis heute zu den
Renditerückgängen bei. Brexit und Trump sorgten nun für die
Renditerekorde. Und sie werden es weiter tun.
(Börsen-Zeitung, 01.06.2019)
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